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Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges

Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges

Historischer Roman

von Jörg Olbrich

Taschenbuch
468 Seiten; Karte; 21 cm x 13.3 cm
Sprache Deutsch
1. Auflage
2017 Acabus Verlag
ISBN 978-3-86282-528-8
 

Hauptbeschreibung

Wie durch ein Wunder überlebt der Sekretär Philipp Fabricius zusammen mit zwei Statthaltern den gewaltsamen Fenstersturz aus der Prager Burg. Philipp macht sich schwer verletzt auf den Weg nach Wien, um den Kaiser über die protestantischen Aufstände zu informieren. Mit Hilfe der schönen Magdalena erreicht seine Botschaft die Residenzstadt, doch die Lage zwischen Katholiken und Protestanten spitzt sich weiter zu und Philipp gerät ins Visier der gegnerischen Parteien. Der Krieg lässt sich nicht mehr aufhalten …
Währenddessen tritt in Pilsen der Schmied Hermann den kaiserlichen Truppen bei. Als Söldner in Tillys Armee begeht und erleidet er die Schrecken des Krieges. Die Chronik eines jungen Schreibers in Wien dokumentiert die Gräuel.

Verwüstung, Hungersnöte, Armut und Pest kosteten zwischen 1618 und 1648 rund sechs Millionen Menschen das Leben. Der Auftakt der sechsteiligen Romanreihe „Geschichten des Dreißigjährigen Krieges“ überzeugt mit historischen Fakten und einer spannungsgeladenen Entwicklung.


Biografische Anmerkung zu den Verfassern

Jörg Olbrich, Jahrgang 1970, lebt in Mittelhessen.
Das Heimatdorf des Autors, das zwischen Wetzlar und Braunfels liegt, wurde während des Dreißigjährigen Krieges von spanischen Truppen verwüstet. Die Spanier wollten die Kirchenglocke einschmelzen, um Waffen herzustellen. Die Dorfbewohner versteckten die Glocke jedoch, woraufhin die feindlichen Truppen das Dorf niederbrannten.
Nach der Veröffentlichung seiner ersten Kurzgeschichte 2003 folgten Beiträge in Anthologien. Die Kurzgeschichte Herz aus Stein wurde 2008 in der Kategorie „Beste deutschsprachige Kurzgeschichte“ mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet. 2010 belegte sein Roman Das Erbe des Antipatros dort in der Kategorie „Bestes Romandebüt, national“ den 3. Platz.


Textauszug

Leseprobe aus Kapitel 1

Die Eindringlinge rückten noch enger zusammen. Alle wollten wissen, was die Statthalter nun zu ihrer Verteidigung vorbringen würden. Trotz seiner Schwäche war auch Philipp gespannt, ob es ihnen gelang, sich aus dieser bescheidenen Lage herauszuwinden. Von den Wachen der Burg war sicherlich keine Hilfe zu erwarten. Die Männer waren entweder von den Rebellen überwältigt worden oder geflohen.
»Wir sind dem Kaiser mit schwerem Eid verpflichtet und verbunden«, antwortete Martinitz sichtlich um Fassung bemüht. Weil er von seinen Widersachern an beiden Armen festgehalten wurde, war er kaum in der Lage sich zu rühren. »Wir dürfen nichts offenbaren, was die Statthalter im Namen des Königs in ihrem Kreis beraten.«
»Ihr irrt, wenn Ihr glaubt, dass wir unverrichteter Dinge wieder abziehen werden«, sagte von Thurn mit energischer Stimme. »Wir verlangen hier und heute eine Antwort. Gebt Ihr diese nicht, wird das von den protestantischen Ständen als Schuldeingeständnis gewertet werden.«
»Ich muss energisch protestieren und kann guten Gewissens sagen, dass wir weder zu diesem, dem Majestätsbrief zuwider laufenden Schreiben geraten, noch davon gewusst haben.«
Philipp sah Ladislaus von Sternberg überrascht an. Der stand zittrig zwischen den Rebellen und hielt den Gehstock, den er benötigte seit er vor zwei Jahren vom Pferd gefallen war und sich das Bein verdreht hatte, krampfhaft fest. Normalerweise wählte der Mann den Weg des geringsten Widerstandes. Sein Protest passte nicht zu dem Verhalten, das Philipp sonst von ihm kannte.
Der Sekretär betete, dass die adeligen Herren nun schnell zu einer Endscheidung kommen würden. Ihm selbst fiel es immer schwerer, sich auf den Beinen zu halten, obwohl auch er nach wie vor von zwei Männern gepackt wurde. Er hatte das Gefühl, dass der Lärm in der Burg sein Fieber noch steigerte und seinen Kopf früher oder später zum Bersten bringen würde.
»Herr Burggraf«, sprach von Thurn von Sternberg direkt an. »Wir wissen wohl, dass Ihr und Diepold von Lobkowitz fromme Herren seid und den protestantischen Ständen nicht schaden wolltet. Herr Slavata und Herr Martinitz sind die Feinde unserer Religion und wollen uns um den Majestätsbrief bringen.«
»Das ist eine Lüge«, protestierte Martinitz und versuchte, auf seinen Widersacher zuzugehen. Daran wurde er aber von den anderen Männern gehindert.
»Dann stimmt es nicht, dass Ihr beide schon bei der Sitzung des Landtages nicht anwesend wart, bei dem der Majestätsbrief entlassen wurde, und Ihr seitdem alles darauf verwendet, das Dokument außer Kraft zu setzen?«
Weder Martinitz noch Slavata antworteten auf diese Anschuldigungen. Philipp wusste nur zu gut, dass beide Statthalter immer wieder nach Möglichkeiten gesucht hatten, gegen die Protestanten vorzugehen. Er hatte dies selbst dokumentiert. Den Männern war es ein Dorn im Auge, dass der protestantische Teil der Bevölkerung in Prag immer mehr zunahm.
Die Tatsache, dass von Thurn gnädig mit von Sternberg und von Lobkowitz umging, ließ den Sekretär hoffen, ebenfalls aus dem Gebäude herauszukommen, ohne Schaden zu nehmen.
In den nächsten Minuten wurden weitere Vorwürfe vorgebracht. Martinitz und Slavata versuchten vergeblich, sich zu verteidigen, gerieten aber immer mehr in die Zwickmühle. Weil mehrere Männer durcheinandersprachen und seine Kopfschmerzen immer unerträglicher wurden, konnte Philipp den Worten nicht mehr folgen. Er spürte, dass er dieser Tortur nicht mehr lange standhalten konnte. Wie auch immer die Entscheidung über seine Zukunft ausfallen mochte, er betete, dass diese rasch getroffen würde. Falls es tatsächlich Gottes Wille war, den jungen Sekretär mit gerade einmal zwanzig Jahren zu sich zu holen, sollte er ihm die Gnade eines schnellen Todes gewähren.
Plötzlich verschaffte sich Graf von Thurn mit lauter Stimme Gehör und riss damit auch Philipp aus seiner Lethargie. »Die Herren von Sternberg und von Lobkowitz sollen nun die Burg verlassen. Ihnen wird nichts geschehen. Keiner von uns wird Hand an sie legen. Die anderen beiden dagegen werden nun unseren Richtspruch erfahren.«
Zunächst rührten sich die beiden Angesprochenen nicht und starrten von Thurn überrascht an. Erst als sie von den Eindringlingen in Richtung Ausgang geschoben wurden, erkannten sie, dass es der Graf ernst meinte, und bahnten sich fluchtartig ihren Weg zur Treppe. Philipps Hoffnung, nun ebenfalls freigelassen zu werden, erfüllte sich nicht.
»Seht, liebe Herren, diese Zwei sind unsere größten Feinde. Sie wollen uns um den Majestätsbrief und die Freiheiten unserer Religion bringen. Glaubet gewiss, dass unsere Stände niemals mit unseren Weibern und Kindern in Frieden leben können, solange diese Herren im Lande verweilen. Wir würden unseres Lebens nicht sicher sein. Wenn wir sie weiter gewähren lassen, ist es um unsere Religion geschehen und wir alle hier werden an Leib, Ehre und Gut verdorben und verloren sein.«
Ein Raunen ging durch den Flur. Graf von Thurn stand in der Mitte des Raumes und genoss seinen Triumph sichtlich. Der Anführer der Rebellion wirkte auf Philipp wie ein Kriegsherr auf dem Schlachtfeld, der seine Männer aufhetzte, bevor er sie in den Kampf schickte.
»Derethalben deklarieren wir die beiden als Feinde und werden mit ernstlicher Strafe gegen sie verfahren.«
Philipp blickte in die entsetzten Gesichter der beiden Statthalter. Beide wussten nur zu gut, dass ihre letzte Stunde geschlagen hatte, sollte nicht noch ein Wunder geschehen. Während Slavata um seine Fassung rang, forderte Martinitz von den Eindringlingen, zu einem Beichtvater geführt zu werden, bevor das Urteil an ihm vollstreckt wurde.
»Wir werden Euch jetzt sicher nicht noch einem schelmischen Jesuiten zuführen«, entgegnete von Thurn und deutete zum Fenster. »Hinaus mit ihnen.«
In diesem Moment brach der Tumult los. Gleich fünf der anwesenden Ritter stürzten sich auf Martinitz und zogen ihn zum geöffneten Fenster. Philipp versuchte sich nach hinten zu drängen, wurde aber von seinen Widersachern festgehalten.
»Jesu, Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich meiner!«, schrie der Statthalter und versuchte sich gegen die übermächtigen Angreifer zu wehren.
Philipp sah voller Entsetzen zu, wie der Oberkörper von Martinitz durch das schmale Fenster geschoben wurde. Sofort machten sich drei Männer an seinen Beinen zu schaffen, hoben sie an und warfen den Statthalter hinaus.
»Jesus, Maria«, schrie Martinitz. Seinen Fall konnte aber nichts mehr aufhalten.
»Wir wollen sehen, ob ihm seine Maria helfen wird«, sagte von Thurn spöttisch.
Der Sekretär konnte nicht erkennen, was weiter mit Martinitz geschah. Die Männer standen so dicht an den Fenstern, dass es unmöglich war, einen Blick an ihnen vorbei zu werfen. Philipp war überzeugt, dass der Statthalter den Fall unmöglich überlebt haben konnte; immerhin lag das Fenster siebzehn Meter über dem Boden. Die aufgeregten Rufe der Protestanten belehrten ihn jedoch eines Besseren.
»Er bewegt sich noch«, rief einer der Männer und deutete nach unten.
Die Stimmung im Flur heizte sich noch weiter auf. Die Eindringlinge schrien wild durcheinander. Philipp bekam einen Schlag gegen den Kopf und nahm nun alles nur noch verschleierter wahr.
Wieder musste sich von Thurn mit energischer Stimme Gehör verschaffen. »Edle Herren, noch ist unsere Aufgabe hier nicht beendet«, rief er und zeigte auf Slavata. »Da habt ihr den anderen.«
Auch dem zweiten Statthalter blieb keine Möglichkeit zur Gegenwehr. Er klammerte sich verzweifelt mit den Händen am Fensterrahmen fest, musste aber loslassen, als ihm einer der Männer mit dem Kopf seines Dolches auf die Finger schlug.
Mit blankem Entsetzen spürte Philipp, wie nun auch er von den Eindringlingen gepackt und zum Fenster geschleift wurde. »Ich habe nichts mit den Taten der Statthalter zu schaffen«, rief er verzweifelt. »Ich bin nur der Sekretär.«


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