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Komplexität in multiperspektivisch erzählten Filmen: Aufbau von Komplexität mit Hilfe verschiedener Erzählstrategien in Rashomon und Syriana

Komplexität in multiperspektivisch erzählten Filmen: Aufbau von Komplexität mit Hilfe verschiedener Erzählstrategien in Rashomon und Syriana

von Bärbel Scherf

Taschenbuch
64 Seiten; 44 Abb.; 220 mm x 155 mm
Sprache Deutsch
Erstauflage
2014 Bachelor + Master Publishing
ISBN 978-3-95820-197-2
 

Besprechung

Komplexität ist in unserer gegenwärtigen Welterfahrung deutlich anhand der allgemeinen Zunahme von Informationen, Lebensentwürfen und Wahlmöglichkeiten spürbar. Blickt man auf die künstlerischen Ideen im Umfeld dieser Ausdifferenzierungsprozesse, so bietet das multiperspektivische Erzählen eine passende Form, die Pluralismus und Polyphonie adäquat darzustellen vermag.
Im Zentrum dieser Arbeit steht die Analyse zweier Spielfilme ( Rashomon aus dem Jahr 1950 und Syriana aus dem Jahr 2005), die beide auf sehr unterschiedliche Weise multiperspektivisch erzählen.
Anhand dieser beiden Werke erkundet Bärbel Scherf die Bandbreite wie die Funktionalisierungen dieses im filmischen Kontext recht jungen Erzähltypus und geht auch auf die historischen Hintergründe desselben ein.
Am Ende steht die Einsicht, dass Rashomon und Syriana sich nicht nur sehr unterschiedlicher Formen multiperspektivischen Erzählens bedienen. Es wird auch argumentiert, dass die Erzählform in beiden Filmen diametral entgegengesetzt funktionalisiert wird: Während die komplexe Erzählstrategie bei Rashomon Gewissheiten in Frage stellt, fungiert sie im Fall von Syriana zur Vertrauensbildung in die Darstellbarkeit der Welt.

Textauszug

Textprobe:
Kapitel 3.1.1, Räume, Grenzen und Ereignisse:
Versucht man, mögliche Räume in Rashomon zu detektieren, so bietet sich eine große Vielfalt, obwohl die Schauplätze und Figuren in quantitativer Hinsicht überschaubar sind. Zunächst kann man von drei Zeit-Räumen sprechen. Der Raum der Rahmenhandlung fasst die drei Erzählerfiguren: Einen Holzfäller, einen Mönch sowie einen Landstreicher bzw. namenlosen Bürger. Letzterer befragt die beiden nach ihren Zeugenaussagen und den Aussagen des Samurai, der Frau und des Banditen vor Gericht, an welche sie sich in Rückblenden erinnern. Diese in der Vergangenheit liegende Gerichtssituation kann man als zweiten Zeit-Raum bezeichnen, wobei wiederum in Rückblenden das Geschehen im Wald erinnert wird, was den dritten Zeit-Raum darstellt. Insofern ergibt sich eine doppelt gestaffelte Erzählsituation . Diese Konstellation kann allerdings noch weiter ausdifferenziert werden: Jede einzelne Figur, die sich an das Geschehen aus ihrer Perspektive erinnert, schafft einen eigenen, subjektiven erinnerten Raum, der sich von denen der anderen erzählenden Figuren unterscheidet: Jeder schreibt den beteiligten Charakteren andere Eigenschaften hinzu, die Ereignisse unterscheiden sich in ihren Verläufen voneinander, lediglich topographische Aspekte bleiben gleich.
Beginnen wir mit dem Raum der übergreifenden Rahmenhandlung. Dieser erhält eine klare Verortung: Die ersten Bilder des Films zeigen das halb zerstörte Tempeltor Rashomon in Kyoto. Insofern kann man von einem topographischen Raum mit kulturell-referentialisierendem Aspekt sprechen: Rashomon war das größte Tor in Kyoto, erbaut als dieses noch die Hauptstadt Japans war. Mit dem Verfall der Stadt begann sich auch Rashomon mehr und mehr in eine Tempelruine zu verwandeln. Später wurde es zu einem Versteck für Räuber und Diebe, es diente als Lagerstätte für Verstorbene. Diese Konnotationen lassen sich auch inhaltlich im Film wiederfinden: Der Holzfäller und der Landstreicher beispielsweise stellen sich letzten Endes als Diebe heraus, und auch Tajomaru wird als ein berüchtigter Bandit beschrieben. Regen prasselt während des gesamten Films an diesem Schauplatz herunter, der verfallene Tempel ragt hoch auf, die Charaktere sitzen melancholisch versunken unter dem Dach. Der semantische Raum wird insofern nicht nur von gewissen historischen Bezügen charakterisiert, sondern ist auch bestimmt von zusätzlichen Konnotationen wie Grübelei und Stillstand. Denkt man ihn im Gegensatz zu den anderen Räumen im Rahmen einer Hierarchie, so stünde er in dieser ganz oben: Durch die Figuren Holzfäller und Mönch und deren Erinnerung kommen die restlichen Räume erst zur Darstellung, erst durch deren Erzählungen und Reflexionen, begleitet von den Fragen des Landstreichers, kommen die direkt Beteiligten des Geschehens zu Wort: Die Frau, ihr Ehemann und natürlich der Räuber sie werden allein lebendig durch die Projektion dieser beiden, deren Urteil ebenso in Zweifel gezogen werden darf. Der semantische Raum um das Tempeltor ist also der wichtigste Raum, der Rahmen, der die Story zusammenhält und in der Gegenwart situiert ist.
Außerdem ist er ein dynamischer Raum: Die Kamera wechselt von nahen und halbnahen Einstellungen zu Totalen, von Auf- zu Untersichten und setzt die Protagonisten [ ] in immer wieder neuen Konstellationen [ ] ins Bild. Der zweite Zeit-Raum am Gerichtshof dagegen ist schon etwas in die Vergangenheit geschoben, bezüglich seines Modus ist er ein erinnerter Raum, und nur durch diese Erinnerung existent. Holzfäller und Mönch beispielsweise erinnern sich an ihre eigenen Aussagen und die des Banditen, der Frau und des (Geistes des) Samurai. Im Gegensatz zum Ort der Rahmenhandlung ist der Gerichtshof unspezifisch, sehr reduziert und funktionalisiert würde man ihn nicht als solchen benennen, er könnte auch für einen beliebigen anderen Raum stehen, da er fast leer ist.
Zudem ist er vollständig hell ausgeleuchtet,


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