Rezensionen

Persönliche Lesetipps unserer Buchhändler:innen

Die Verletzlichen

Sigrid Nunez

Katja Hölzl aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Futterkutter. Die Welt auf deinem Löffel

Martin Schümberg

Wer sich in Innsbruck noch nie ein Mittagessen im Glas beim FUTTERKUTTER geholt hat, hat definitiv was verpasst! Und wer dazu weiterhin keine Lust hat oder niemals Montag bis Freitag von 11:30 bis 13:30 zum Franziskanerplatz oder zur alten Hauptpost ... Mehr lesen

Maxie Bantleon aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Allein auf dem Meer

Chris Vick

Testleserin IDA, Tyrolia-Filiale Innsbruck (11 Jahre, Innsbruck) Das Buch „ Allein auf dem Meer“ von Chris Vick hat mir sehr gut gefallen. Es ist von Anfang an unglaublich spannend geschrieben, und ich konnte es einfach nicht mehr aus der Hand leg... Mehr lesen

Tyrolia Testleser:in aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Feuerwanzen lügen nicht

Stefanie Höfler

Tyrolia Testleser:in aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Tahara

Emanuel Bergmann

Maxie Bantleon aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Nebenan

Kristine Bilkau

Maxie Bantleon aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Tea Time

Ingrid Noll

Maxie Bantleon aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Sichere Bindung

Andreas Maislinger

Gerda Kurz aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Die Medici-Morde

David Hewson

Venedig im Karneval. Die Leiche eines britischen Star-Historikers wird aus dem Kanal gezogen. In seiner Brust steckt ein Dolch aus der Renaissance. Eine harte Nuss für Capitano Valentina Fabbri. Sie rekrutiert den Archivar Arnold Clover, der seit dem... Mehr lesen

Florian Lechner aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Seit er sein Leben mit einem Tier teilt

Bodo Kirchhoff

Katja Hölzl aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Das kleine Haus am Sonnenhang

Alex Capus

Katja Hölzl aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht

Julia Jost

Der Titel lässt ungewöhnliches erwarten, und tatsächlich liegt hier eines der spannendsten österreichischen Debuts der letzten Jahre vor. Julia Jost kommt ursprünglich vom Theater und beschreibt in ihrem Prosaerstling Kindheit und Jugend in einem kle... Mehr lesen

Florian Lechner aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

Die Verletzlichen

Sigrid Nunez

Der neue Roman „Die Verletzlichen“ von Sigrid Nunez erzählt, was der Titel verspricht, nämlich von jener Gruppe von Lebewesen – Tiere spielen dabei eine zentrale Rolle -, die vulnerabel und dennoch empfindsam sind. Die reflektierte, ja fast essayistische Schreibweise der Autorin zeigt mit viel Empathie, wie einander fremde Menschen inmitten von Ausnahmesituationen – so etwa im ersten Lockdown der Covid-Pandemie – es schaffen, das Herz für die Nöte anderer zu öffnen. Die äußere Handlung, die dem Roman den Rahmen bietet, spielt in New York zur Zeit des vollständigen Stillstandes der Stadt aufgrund der Corona-Beschränkungen im Frühjahr 2020. Obwohl die Zeit noch nicht so lange zurückliegt, scheinen die geschilderten Situationen jetzt geisterhaft, unwirklich zu sein … Und, wie damals alles Geschäftstreiben und die Kontakte verboten waren, so gerät im Buch alles Äußere in den Hintergrund. Was bleibt, ist das innere Leben, die Art, das Erlebte zu verarbeiten. Deshalb scheint es stimmig, dass nach außen hin nicht viel passiert: Eine gute Freundin der Erzählerin bittet diese, sich um deren luxuriöse Wohnung in New York zu kümmern und um den temperamentvollen Papagei – als „Katalysator für Gefühle und Selbstbeobachtung“, wie es heißt; außerdem stößt unerwartet ein junger Student dazu – nach anfänglichen Schwierigkeiten gelingt es den Dreien, zu einem harmonischen Zusammenleben zu finden und einander sogar eine Stütze zu sein… Feinfühlig und mit viel Geschick lässt Sigrid Nunez persönliche Begegnungen mit literarischen Meisterwerken, sodass suggeriert wird, wie wichtig und „systemrelevant“ die Literatur, die Kunst, das Gelesene inmitten der Corona-Maßnahmen war. „Die Verletzlichen“ zeigt auf beeindruckende Weise, wie es gelingen kann, Einsamkeit zu bekämpfen und offen zu bleiben für die Verletzlichkeit des Menschen und der Tiere. Alles Lebendige und Lebende findet auf der Ebene der Erinnerungen und der Überlegung der Autorin seinen Platz, denn das Erzählen kann uns helfen, mit dieser Verletzlichkeit umzugehen – nicht, indem wir uns abkapseln und isolieren, sondern indem wir aufeinander zugehen. Doch der Roman birgt auch feine Gesellschaftskritik und wirft auf leise Weise Fragen auf, die wir gerne verdrängen würden: Während die wohlhabenden Bürger es sich leisten können, aufs Land zu flüchten, bleibt die Arbeiterklasse in der Stadt und war somit einer Covid-Ansteckung weit ausgesetzter: So heißt es: „Sich vor dem Virus zu schützen, ist auch eine Klassenfrage: Die Mittelschicht versteckt sich, während die Arbeiterklasse ihnen die Sachen bringt.“ Solche Bemerkungen lenken aber nicht vom eigentlichen Thema ab, wenn es darum geht, mit Verletzlichkeit umzugehen, denn immer wieder lässt Sigrid Nunez wirksame Ratschläge einfließen, die nicht nur zur Zeit der Corona-Pandemie aktuell sind: „Ein Mittel gegen viele Krankheiten wird es genannt. Für die Linderung von Stress und Angst; als Trost bei einem Trauerfall, bei Traurigkeit und Verlust: Finde jemanden, der deine Hilfe braucht. Es waren nicht nur in Isolation lebende Menschen, die sich während des Lockdowns dafür entschieden, ein Tier zur Pflege aufzunehmen oder zu adoptieren.“ Dieses schmale Bändchen ist ein empfehlenswertes Geschenk für alle, die sich mit Einsamkeit, Alter, Krankheit und Tod auseinandersetzen: Wenn die Gegenwart drückend wird, trumpft die Erinnerung an das Erlebte, an das Gelesene und Schätze werden geöffnet, die zu „normalen Zeiten“ inmitten der Alltagshektik unbeachtet geblieben wären. Und dass neben uns jemand existiert, der oder die uns brauchen, ist eine weitere wertvolle Lebenserkenntnis, die wir aus der Lektüre mitnehmen können. Erst wenn wir ein Stückchen Weg mit jemandem teilen, können wir dessen Verletzlichkeit erahnen. So lautet eine Weisheit der Apachen: „Urteile nicht über einen Menschen, ehe du nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bist.“

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Feuerwanzen lügen nicht

Stefanie Höfler

Testleserin IDA, Tyrolia-Fililale Innsbruck (11 Jahre, Innsbruck) Das Buch „Feuerwanzen lügen nicht“ von Stefanie Höfler ist fantastisch! Es hat mir sehr, sehr gut gefallen. Es handelt von Freundschaft, Armut und Angst. Ich finde, dass der Titel des Buches nicht zur Geschichte passt. Es kommen zwar auch Insekten darin vor, da sich Mischa sehr gut mit dem Thema auskennt, Feuerwanzen spielen jedoch keine Rolle. Das tolle an dem Buch finde ich, dass es extrem spannend ist, und ich mir vorstellen kann, dass es so auch in Wirklichkeit passieren könnte. Nits, der eigentlich Nityananda heißt, hat seinem perfekten Freund Mischa gerade noch alles geglaubt. Kein Wunder - sie sind ja auch beste Freunde. Bis er einer Lüge auf die Schliche kommt. Nits ist stinksauer. Sein Freund hat ihn noch nie angelogen! Als Nits Mischa das erste Mal Zuhause besucht, versteht der Junge die Welt nicht mehr. Als dann auch noch der Vater seines Freundes verschwindet und Gangster dessen Wohnung beschatten, beschließt Nits Mischa und seiner kleinen Schwester zu helfen. Nits wird immer mehr bewusst, dass er seinen Freund gar nicht so gut kennt, wie er immer gedacht hat. Ein Netz von Lügen wird aufgedeckt, denn nicht nur Mischa sagt nicht immer die Wahrheit, sondern auch die Erwachsenen. Beim Lesen dieses Buches ist mir bewusst geworden, dass es nicht nur Lüge und Wahrheit gibt. Die Frage ist auch, aus welchem Grund man lügt. Ist es aus Schutz, Scham, Not oder um vor jemanden anzugeben? Auch für Erwachsene ist es manchmal schwer einzuschätzen, welche Lügen erlaubt sind und welche nicht.

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Tahara

Emanuel Bergmann

Es ist ja so: Am einfachsten schreibt sich natürlich ein Buchtipp zu einem Roman, den man während des Lesens geliebt hat und dem man jede Menge Leserinnen und Leser wünscht. Von daher habe ich mich mit Emanuel Bergmanns „Tahara“ wirklich schwergetan, und der jubelnde Hinweis auf dem hinteren Buchumschlag – „Ein berührender und temporeicher Roman über die Lügen und die Liebe“ – hat mir auch nicht wirklich geholfen. Wir begleiten den Journalisten Marcel Klein – „der große Klein“, wie er sich gerne selber nennt – zu den Festspielen nach Cannes; er ist ein „berüchtigter“ Filmkritiker, auch das ein Attribut, bei dem ich annehme, dass er es sich selbst verpasst hat und nicht etwa – wie er uns und wahrscheinlich auch sich selbst gern glauben machen möchte – von der Filmwelt aufgedrückt bekommen hat. Gleich nach seiner Ankunft trifft er im Hotel auf die geheimnisvolle Héloïse, die sie umgebende Melancholie macht sie für ihn sofort unwiderstehlich. Es entspinnt sich – Zitat Umschlag – „eine amour fou“, die mich leider weder in ihren Bann gezogen noch überzeugt hat. Ich konnte weder mit Marcel noch mit Héloïse so richtig warm werden, beide waren mir nicht sympathisch und ihr Geplänkel und Gezänke hat mich nicht mitgerissen. „Immer wieder verletzten sie einander, immer wieder suchten sie den Schmerz, und je mehr sie das taten, desto enger waren sie verbunden.“ Für mich war von enger Verbundenheit, vielleicht sogar von Liebe nur wenig zu spüren; diese angebliche Liebesgeschichte blieb für mich leider zu oberflächlich. Marcel ist ein Hochstapler und ein Aufschneider, auf seinen angeblichen Charme bildet er sich ganz schön was ein, „im Verdrängen unbequemer Wahrheiten war er ein Meister“. Sein übergroßes Ego macht es ihm dann nahezu unmöglich, einen riesengroßen Fehler, den er während eines Interviews mit einer berühmten Hollywood-Schauspielerin (bzw. danach!) gemacht hat, einzugestehen – viel zu groß ist auf einmal seine Angst, dass auch noch die ein oder andere unangenehme Wahrheit über sein Leben ans Licht kommen könnte. Dieser Teil des Romans war vielleicht nicht unspannend, aber trotzdem bin ich Marcels Versuchen, sich aus der Bredouille hinauszumanövrieren und seine Haut irgendwie doch noch zu retten, mit einer gewissen Teilnahmslosigkeit gefolgt. Marcel, „der es gewohnt war, dass alle nach seiner Pfeife tanzen. Besonders Frauen“, hat es auf knapp 300 Seiten nicht geschafft, mich in seinen Bann zu ziehen. Gespannt wäre ich auf andere Leserstimmen, die mir vielleicht näherbringen, was sie an Bergmanns Roman fasziniert hat und warum es doch ein richtig gutes Buch ist. Außerdem bin ich echt am Überlegen, seinen hochgelobten Erstling „Der Trick“ zu lesen, um so mein Urteil vielleicht doch zu revidieren oder aber ein zweites Mal festzustellen, dass dieser Autor einfach nicht mein Fall ist.

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Nebenan

Kristine Bilkau

Was wissen wir eigentlich über unser „nebenan“? Julia und Chris sind Ende dreißig; sie haben dem Großstadtleben in Hamburg den Rücken gekehrt und sind aufs Land gezogen, wo sie ganz bewusst auf ein Auto verzichten und überhaupt ganz (umwelt-)bewusst leben. Sie ist eine in sich zurückgezogene, stille Frau; ihr Beruf als Keramikerin scheint sie zu erfüllen, aber sie hat es am liebsten, wenn sie möglichst alleine in ihrer Werkstatt in der nahe gelegenen, kleinen Kreisstadt vor sich hin werkeln kann und möglichst wenige Kunden ihren Laden betreten. Onlinebestellungen sind ihr lieber. Am Leben anderer Menschen nimmt Julia eigentlich nur teil, indem sie in den sozialen Medien die weichgespülten Auftritte verschiedener Hochglanz-Bilderbuchfamilien verfolgt; das tut sie mit einer Mischung aus widerwilliger Faszination und Abscheu, und mit ähnlichen Gefühlen tummelt sie sich in diversen Kinderwunsch-Foren, denn auch sie und Chris sind bislang ungewollt kinderlos und haben schwer damit zu kämpfen. Zunehmend gerät dann aber die Familie im Nachbarhaus in Julias Fokus bzw. die Tatsache, dass sie schon eine Ewigkeit keinen von nebenan mehr gesehen hat. Der Briefkasten quillt über vor Post, das Haus wirkt unbewohnt, aber gleichzeitig lässt sich durch die Fenster erkennen, dass es nicht völlig leergeräumt wurde. Ist die Familie nur in einem verlängerten Urlaub? Ist ihnen etwas zugestoßen oder sind sie einfach nur umgezogen, ohne ein Wort zu sagen, ohne Abschied? Ähnliche Fragen stellt sich auch Astrid, die andere Hauptfigur des Romans. Sie ist um die sechzig, Ärztin in der zunehmend verödenden Kleinstadt und hat mit drei „Baustellen“ zu kämpfen: Da ist zum einen ihre Tante, bei der sie aufgewachsen ist und die im Alter immer wunderlicher wird, und zum anderen Marli, ihre Freundin aus Jugendtagen, die nach jahrelanger Abwesenheit seit kurzem wieder im Haus nebenan wohnt. Damals war etwas passiert, was ihre Freundschaft stark belastet hat; jetzt sind sich beide Frauen fremd geworden und nähern sich nur vorsichtig und zögernd einander wieder an. Am meisten belasten Astrid aber die anonymen Briefe, die sie seit einigen Wochen bekommt, die ihre Kompetenz als Ärztin in Frage stellen und ihr – auch wenn sie es abtut – Angst einjagen. Also, was wissen wir eigentlich über unser „nebenan“? Wie viel wollen und sollen wir von den anderen wissen, und was wollen wir von uns selber preisgeben? Wie gut muss man einen Menschen kennen, um etwas zu bemerken, um sicher sein zu können, dass etwas nicht stimmt? Wie kann man sicher unterscheiden, was Vermutungen und was Vorurteile sind? Wie nah muss man einem Menschen sein, um aus einem Verdacht heraus eine Frage stellen zu können, ohne neugierig oder aufdringlich zu sein? „Nebenan“ ist ein kleiner, feiner Roman, der in einer wunderbar schlichten Sprache die Grenzen dessen auslotet, was in unserer Gesellschaft als freundschaftliches sich umeinander kümmern und was bereits als Einmischerei gilt. Lesenswert!

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Tea Time

Ingrid Noll

Ein paar kurzweilige und vergnügliche Stunden Lesegenuss garantiert der Roman "Tea time" von Ingrid Noll! Die Freundinnen Nina und Franzi bilden zusammen mit vier weiteren Frauen den „Klub der Spinnerinnen“. Originelle und lustige kleine Macken sind die Voraussetzung für die Mitgliedschaft. So kann zum Beispiel Franzi nicht nur schnell und perfekt in Spiegelschrift schreiben (nebenbei bemerkt: das kann ich auch, Mitgliedsantrag wurde bereits eingereicht) und Sätze nach Gehör fehlerfrei rückwärts sprechen – nein, ihre größte Macke leitet sich ihrer Ansicht nach von ihrem Namen ab: Franzi ist nämlich Fransenspezialistin! Mit ihren Adleraugen sieht sie sofort, wenn bei einem Teppich die Fransen verzottelt sind und rückt dem Problem dann mit einem breitzinkigen Kamm, den sie stets bei sich trägt, zu Leibe. „Manchmal kann es schon ein wenig peinlich werden, wenn man gemeinsam mit Franziska eine fremde Wohnung betritt, wo Orientteppiche ausgelegt sind.“ Auch Nina, Eva, Heide, Corinna und Jelena haben ihre teils schrägen, teils liebenswerten Ticks und Spleens, die beim Lesen für viele amüsante Momente sorgen! Wie fast immer bei Ingrid Noll spielt natürlich auch der ein oder andere merkwürdige Mann eine wichtige Rolle – hier ist es der zwielichtige Andreas Haase, der mir mit der Zeit direkt ans Herz gewachsen ist, obwohl oder vielleicht gerade weil ihm die sechs Damen ziemlich übel mitspielen. Dazu noch Ingrid Nolls wunderbarer Schreibstil mit den vielen absichtlich altmodischen Redewendungen und der wohlgesetzten Ausdrucksweise der Hauptfiguren: fertig ist ein wunderbares Lesevergnügen. Achtung nur bei der Tasse Tee, die Sie dabei vielleicht genießen wollen!

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Sichere Bindung

Andreas Maislinger

Aufwachsen beim Auwirt im Salzburgischen, das muss schon eine ganz besondere Qualität gehabt haben! Der Autor schildert mit wundervoll humorigen Sätzen viele Begebenheiten aus seiner Kindheit in einem Wirtshaus, bei dem das halbe Dorf um den Küchentisch sitzt, die sehr gerechte, weise Mutter aber immer den Überblick behält. Der Auwirts Andi und sein Bruder Toni, seine Cousins Hansi und Seppi und die übrigen Spielkumpanen erleben derweil eine unbeschwerte Kindheit beim Bogenschießen, Rodeln oder dem ersten selbstgemachten Stummfilm. Das Buch ist alphabetisch aufgebaut und der geneigte Leser wird staunen, wie viele Persönlichkeiten und interessante Leute da rund um St. Georgen aufgewachsen sind oder tätig waren! Da muss man dem Autor schon ein großes Kompliment machen, dass er so akribisch recherchiert hat und alle Jahreszahlen genau belegen kann. Nebst den dazugehörigen Charakteren und den Begebenheiten. Für den studierten Politikwissenschafter Andreas Maislinger fließen natürlich auch politische Köpfe und Ereignisse von damals in dem Büchlein mit ein. Achja: "Sichere Bindung" meint, dass der Autor in einem emotional sehr gerechten Elternhaus aufwachsen durfte, das ihn im Laufe seines Lebens auf viel Stressresilienz zurückgreifen ließ. Ich als Leserin habe des Öfteren erfreut geseufzt und auch herzlich gelacht, wenn es um Robert Lembke, Dietmar Schönherr, Aktenzeichen xy ungelöst oder noch anderen mir sehr bekannten Fixpunkten auch meiner Kindheit ging. Von mir wirklich 6 von 5 möglichen Sterne ;-)

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Seit er sein Leben mit einem Tier teilt

Bodo Kirchhoff

Bodo Kirchhoff erzählt in „Seit er sein Leben mit einem Tier teilt“ von vier Tagen vor dem Höhepunkt des Sommers – „Ferragosto“ , wie der 15. August (Maria Himmelfahrt) in Italien genannt wird: Protagonist ist Louis Arthur Schongauer, ein ehemaliger „Supporting German Character“, also eine Nebenrolle in großen Hollywood-Filmproduktionen, in denen er den deutschen Bösewicht, bevorzugt den Nazi in historischen Filmen, gab. Nach dem Tod seiner Frau Magda zieht er sich an den Gardasee zurück, wo er „sein Leben mit einem Tier teilt“, nämlich mit einer Hündin namens Ascha. „Sein Leid war manchmal das einzige Reale, bis die Hündin nach Magdas Tod zur Welt für ihn wurde, weil er die Welt für sie war.“ Die Ruhe und Einsamkeit wird jäh unterbrochen, als eine Reisebloggerin beim Wenden in seiner Zufahrt strandet und auf den Reparaturdienst – um Ferragosto, einem der wichtigsten Feiertage in Italien, kaum zu bekommen! – warten muss. Außerdem erwartet Schongauer eine Journalistin, die über sein Leben schreiben will – über sein mittlerweile vergessenes Dasein als Schauspieler, seine Ehe mit der Kunstfotographin Magda und über deren tragischen Unfalltod. Die Vergangenheit holt den kurz vor seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag stehenden Herren ein. Halt in der Gegenwart gibt nur das Tier: die Hündin, die weder Schuld noch Reue kennt, sondern im Hier und Jetzt lebt. Bodo Kirchhoff erzählt in einer eleganten Sprache und auf hohem literarischem Niveau vom Innenleben und den stillen Sehnsüchten eines Mannes, der auf ein Leben zurückblickt, in dem Vieles schief gelaufen ist. Die Seiten haben mich sofort in ihren Bann gezogen, da es dem Autor meisterhaft gelingt, die großen Fragen unser aller Existenz einfließen zu lassen: die Beziehung zwischen Mann und Frau, das Verhältnis von Mensch und Tier, Einsamkeit, Scham und Glück, Schuld und Verlassenwerden. Dabei findet er eine solch fesselnde Sprache, die die wunderbare Landschaft des Gardasees ebenso bildlich darstellen kann wie die inneren Gefühlslagen der Figuren. Die imponierenden Schilderungen etwa des Wetterumschwungs lassen gekonnt das Seelenleben des Protagonisten erahnen: So wirkt die menschliche Vergänglichkeit unbedeutend in Anbetracht der Naturgewalten. Allmählich erfahren wir, dass L.A. Schongauer schwer herzkrank ist und er begreift, dass die Hündin Ascha ihn überleben wird. Das stellt ihn vor neue Herausforderungen, wie auch die Begegnung mit den Frauen, die plötzlich in sein Leben treten: die Reisebloggerin Frida und die Journalistin Almut. Es geht aber auch um zwei ältere Beziehungen in Schongauers Leben, was die Tragik des Erzählstroms erhöht. Eine feine Melancholie durchzieht die fast 400 Seiten, wobei die gut komponierte Handlung einen Bann entwickelt, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte. Eine unbedingte Leseempfehlung, die den Prozess des Alterns in ein mildes Licht taucht und das Unabdingbare mit der betörenden Schönheit des Gardasees umhüllt, die uns mit den Ambivalenzen versöhnt, die jede Existenz mit sich bringt. Das Tier, mit dem der Protagonist „sein Leben teilt“, hat eine eigene Art, dem Unausweichlichen entgegenzusehen: und welcher Trost darin liegen kann, zeigt der Autor auf beeindruckende Weise, wie schon das Eingangszitat von Michelangelo belegt: „Was ist dies, Amor / das durch die Augen ins Herz dringt / und dort auf kleinem Raum zu wachsen scheint? / Und sich anschickt, alles zu überschwemmen?“

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Das kleine Haus am Sonnenhang

Alex Capus

Der bekannte Schweizer Autor Alex Capus hat mit „Das kleine Haus am Sonnenhang“ eine kleine kluge Philosophie der Zufriedenheit und des unaufgeregten Lebens komponiert; eine poetische Einladung, ihm in dieses „kleine Haus“ zu folgen, um die betörende Schönheit der piemontesischen Landschaft zu genießen und uns nostalgisch in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu versetzen: In den Lokalen wird geraucht, es gibt noch Bedienung in Form eines Tankwarts an den Tankstellen, die Post wird noch nicht elektronisch zugesendet – eine Welt ohne Internet und weltweilte Vernetzung. Doch was als monotones Dasein, das wir uns heute kaum noch vorstellen können, anmutet, birgt einen solchen Reichtum an Details, dass wir dem Autor dankbar und atemlos Seite um Seite nachspüren, wie gerade in einer solch stillen Umgebung literarische Meisterwerke entstehen können. Das schmale Bändchen ist auch autobiographisch: Alex Capus hat das „kleine Haus am Sonnenhang“ in der italienischen Provinz vor vielen Jahren zu einem damals noch erschwinglichen Preis erworben und darin an seinem ersten Roman gearbeitet. So verbinden sich poetologische Überlegungen des Autors mit Erlebnissen aus dem eigenen Leben in der vordigitalen Zeit. Wie erfahren viel über die Atmosphäre, die diesen „Sonnenhang“ umschwebt: Nachbarn, die kaum einmal sichtbar sind, dörfliches Landleben mit der einzigen Kneipe und deren Stammgästen, mit denen sich Capus anfreundet: „Es waren die neunziger Jahre, wie erwähnt, damals rauchte man noch. Was haben wir geraucht! Wir rauchten alle, und wir rauchten überall und jederzeit. (…) Keine Ahnung, warum wir dermaßen geraucht haben. Irgendetwas muss schon dabei gewesen sein. Sonst hätten wir’s doch nicht getan.“ Und inmitten dieses einfachen Lebens entdeckt der Leser oder die Leserin immer wieder persönliche Bekenntnisse zum Schreiben und literarischem Schaffen, in dem Kausalketten – Capus nennt sie auch „Fährten“ – eine wichtige Rolle spielen: „Wir kommen zur Welt und dann geschehen ein paar Dinge, die nicht unbedingt miteinander in Zusammenhang stehen, und dann sind wir tot. Diese Vorstellung ertragen wir schlecht. Uns verlangt es nach Sinn, deshalb schmieden wir Kausalketten und erzählen einander Geschichten. Grimms Märchen sind Kausalketten, und zwar lückenlose, sonst könnten die Kinder nicht einschlafen.“ Der Autor erzählt aber auch von alltäglichen Begebenheiten, wie vom Kauf eines Kachelofens und von für diesen Landstrich typischen Vorfällen, etwa von einem Diebstahl – der Opferstock der Ortskirche wird aufgebrochen: Da reicht es nicht, dass die Carabinieri ermitteln, der "Maresciallo" muss gerufen werden. Und wie er dieses "Verbrechen" regelt, ist unbedingt lesenswert. Am Ende holt er die eigene Geldbörse hervor: „So geht italienisch-katholisches Konfliktmanagement. Wahre Geschichte. Ich war dabei.“ Die Lektüre kann ich nur jedem empfehlen, um ein wenig „Sonne“ zu tanken – etwas Ruhe und Gelassenheit inmitten unserer Alltagshektik. "Es war eine schöne Zeit", schreibt Capus über die Tage in Italien. Nun, da der Frühling naht und die ersten Sommerstrahlen wärmend ins Zimmer dringen, sind wir eingeladen, uns in dieses „kleine Haus am Sonnenhang“ zurückzuziehen – und wer weiß, vielleicht nicht nur fiktiv, sondern auch durch eine Reise in die italienische Hügellandschaft?

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