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  • Mittagsstunde von Dörte Hansen

    Nordfriesland, wie das Land, so die Leut. Hansen richtet unerbittlich ihr Brennglas ein halbes Jahrhundert auf Dorf, Stadt und Land und Leut. Dass sich das Landleben geändert hat und ändert: Landflucht, technischer Fortschritt, vermeintlich Moderne und „back tot he roots“ ist allen Lesern geläufig, aber das WIE, wie es von Hansen in Wortform gegossen wird ist herausragend. Hansen seziert das Dorf, die Gesellschaft, die Menschen im Stile einer peniblen Gerichtsmedizinerin unbarmherzig und schonungslos, während andere Augen, Nase und Mund verschließen. Keine Spur von Sentimentalität oder nostalgisch romantische Verklärung, fast schmerzt die unfassbare Direktheit. Man hätte vielleicht einen verklärten Rückblick erwartet, aber nichts von dem. In jede Wunde wird nicht einen Finger gesteckt, sondern zwei. Fossilien fürs nächste JT.
    Ich liebe Ingwer, getrocknet als Tee, nicht pur, sondern mit grünem Darjeeling. Ingwer hat etwas von mir - ich bin auch ein Fensterputzerfan. Wenn man Hansen heißt, dann muss man solche Bücher schreiben. Wie Thomas Bernhard. Meinen nächsten Urlaub mache ich in Nordfriesland.
    „The Times They Are A-Changin' „, der neue Header. Elegie und Melancholie bis zum geht nicht mehr. Hansen schildert den Pflegealltag von Ingwer bei Ella und Sönke. Der Leser erschrickt wie treffend und pointiert die Realität beschrieben wird. Jeder Richter müsste Verständnis für einen Pfleger haben, wenn dieser „durchdreht“ – er muss ja nicht gleich zum Killer werden.
    Ingwer (48 Jahre) sinniert während der Ganzkörperpflege von Sönke über sein Leben: Zweieinhalb Jahre in einer Dreier-WG mit Claudius und Ragnhild (50, rat gebende Kämpferin oder herrschende Göttin - sucht’s euch aus). Drei verlorene Seelen - fossilisiert. Ein Fressen für Psychologiestudenten, eine nichtteilnehmende Beobachtung mit „open end.“
    Das „Platt“ hat die zweite Lautverschiebung nicht mitgemacht, die Gesellschaft hat sich verändert, der Wind ist immer noch der gleich, ein literarisches Meisterwerk.

  • Mittagsstunde von Dörte Hansen

    Barbara aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck

    In Dörte Hansens "Altes Land" geht es bereits um die Rückkehr in ein Dorf, weg von der Stadt. Auch Ingwer nimmt sich in "Die Mittagsstunde" ein Sabbatjahr, eine Auszeit vom Universitätsbetrieb in Kiel, um in Brinkebühl die Wirtschaft seines Großvaters zu betreuen. Günke und Ella sind über 90, Ella ist dement und Günke gebrechlich. Ingwer glaubt, eine Schuld abbüßen zu müssen, da er Brinkebühl verlassen hat, obwohl die Großeltern ein anderes Leben für ihn geplant haben. Dörte Hansen geht in die Tiefe, sie vermittelt den psychologischen Hintergrund für den Ist-Zustand des Dorfes, und dass die Flurbereinigung in den 70ger Jahren der Anfang vom Ende war. Wer die schrulligen Dorfeinwohner in Mariana Lekys Roman " Was man von hier aus sehen kann" fantastisch fand, wird noch mehr Begeisterung für die Brinkebühler empfinden. Von Dörte Hansens Sätzen kriegt man nicht genug, sie ist die beste deutsche Autorin, die ich kenne!