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Bewertungen von Leser/innen

  • Gaby Kösters zweites Buch nach dem Schlaganfall ist laut, schrill und humorvoll wie sie selbst, wie man sie von der Bühne kennt und schätzt. Insofern hat Till Hoheneder gut mit ihr zusammengearbeitet und ihr Wesen authentisch auf Papier gebannt. Nachdem ich die Verfilmung ihres ersten Werkes gesehen habe, ist es eine stimmige Fortsetzung davon.
    Köster schildert, wie sie nach der schweren Krankheit wieder auf die Beine gekommen ist, mit der Darstellerin ihrer Person, Anna Schudt, einen Emmy entgegennehmen durfte, sogar wieder auf Tour ging und daneben bis heute all die Hindernisse überwindet, die sich Menschen nach einem Schlaganfall eben stellen.
    Bestimmt ist die Lektüre eine Hilfe für all jene, die sich in ähnlicher Lage befinden, genauso wie jene Bücher, die es zu dieser Causa von anderen Autoren bereits gibt. Nur: Wenn die Sprache durchgehend auf lustig wirken sollendes Kölsch und young urban people macht, wenn einem Fäkalausdrücke am Laufband ins Gesicht springen, dann nervt das nach ein paar Seiten. Ab und zu eingestreut hätte auch genügt und mehr Wirkung entfaltet.
    In der Mitte des Buches gibt es etliche Fotos rund um die Autorin. Fünf davon hätten auch gereicht, nämlich 1, 2, 7, 14 und 15. Ich kann mir nicht helfen, aber mein Eindruck ist, dass halt eben die Seiten gefüllt werden mussten.
    Obwohl ich eine gewissenhafte Leserin bin, habe ich rasch begonnen, quer zu lesen und ganze Seiten zu überspringen. Mit viel zu vielen Worten wird wenig gesagt. Auf mich wirkt alles so übertrieben, auch dass zwischen den Kapiteln Loblieder auf Frau Köster eingestreut sind, grad so, als sei es ein Nachruf auf eine soeben Verstorbene. Denn gar so einzigartig ist der Fall nicht, und viele Kranke müssen mit bedeutend schwierigeren Bedingungen fertigwerden.
    Es tut mir leid, aber ich bin enttäuscht von "Das Leben ist grossartig – von einfach war nie die Rede".

  • Ein anderer Takt von William Melvin Kelley

    Eine Gruppe von weissen Männern verfolgt perplex, wie die ehemaligen Sklaven ihrer Gemeinde Sutton und bald auch die der umliegenden Orte mit Koffern in den Zug steigen und das Südstaatenland verlassen. Zwar geben sich die Schwarzen nach wie vor unterwürfig, auch weil sie immer noch von oben herab behandelt werden, doch nun wollen sie nur noch selbstbestimmt leben. Die vertraute Welt scheint kopfzustehen, und niemand begreift, was da geschieht. Die grösste Sorge der Weissen lautet: Wie sollen wir jetzt ohne schwarze Arbeiter zurechtkommen?
    Aus der Sicht von verschiedenen Mitgliedern der Familien Leland und Willson wird teils dieser Exodus und teils die Vergangenheit kommentiert. Ausser der Erkenntnis, dass es den Schwarzen jetzt einfach reicht und sie für niemanden mehr arbeiten wollen, bleibt unklar, warum dieser radikale Exodus eigentlich stattfindet. Auch bei aufmerksamem Lesen sind die zeitlichen Abläufe für mich verworren geblieben. Der gegen Schluss geschilderte Gewaltakt erklärt zwar manches, fügt sich aber nicht so richtig in den Ablauf ein. Weitgehend bin ich im Nebel getappt. Klarheit schaffen hingegen David Willsons datierte Tagebuchaufzeichnungen ab 1931.
    Die Sprache ist salopp, sobald die Schwarzen zitiert werden. Anschaulich erzählt, fesselt die Geschichte den Leser bald, und die Geschichte liest sich flüssig. Lesestoff über das Thema "Schwarz sein in Amerikas Südstaaten" sollte unbedingt geschrieben und gelesen werden, und es gibt zum Glück einiges davon. Insgesamt bin ich aber eher enttäuscht, da ich von einer "literarischen Sensation" mehr erwartet habe. Tut mir leid.

  • Es wird Zeit von Ildikó von Kürthy

    Judith ist fast 50 und blickt nicht gerade zufrieden auf ihr bisheriges Leben. Sie hat nicht den Mann heiraten können, den sie eigentlich wollte, ist auch auf anderen jugendlichen Schwärmereien sitzengeblieben. Nun ist die Mutter gestorben, die ihr sehr nahegestanden hat. Auf dem Friedhof taucht ihre seit langem entschwundene Freundin auf und erzählt von ihrer Krebserkrankung und der Chemo. Das solide Fundament von Judiths Ehe und die drei Söhne geben ihr zwar Halt, doch nun sind die Jungs aus dem Haus, und sie fühlt sich unausgefüllt. Zudem erweist sie sich als anfällig für Seitensprünge.
    Es ist sicher nicht leicht, einen Roman in die Gänge zu kriegen, wenn die ersten 80 Seiten hauptsächlich aus wehmütigen Rückblicken und jammervollen Statements zum Ist-Zustand bestehen. Aber das Erzähltalent der Autorin hält den Leser trotzdem bei der Stange. Denn durch den Buchanfang zieht sich auch der skurrile Transport der Urne mit der Asche ihrer Mutter und das unfreiwillig komische Wiedersehen mit der zurückgekehrten Freundin Anne. Und gegen Ende des ersten Romandrittels nimmt die Story so richtig Fahrt auf.
    Keine der Figuren ist schöngefärbt, und es menschelt durchgehend. Deshalb findet sich wohl jeder in der einen oder anderen Person. Wie ein Trostpflaster wirken die witzigen Stellen, und so manche Träne erhält ein Lachen als Beigabe. Gekonnt benutzt die Autorin auch Symbole wie das Grab, in dem niemand liegt, und das für Judiths Hoffnungen an das Leben, ihre Träume und die alte verlorene Liebe stehen könnte. Es geht ebenfalls um das Erwachsenwerden und darum, beim Tod der geliebten Mutter wieder zum Kind zu werden. Starke Themen sind die Freundschaft und das Fundament der Familie.
    Anfangs hielt ich die Illustrationen für überflüssig, gar noch die erläuternden Sätze zu den Bildern. Dann aber ging mir auf, wie sinnvoll sie in den Text hineinkomponiert wurden. Scheinbar Nebensächliches, quasi Randbemerkungen werden durch sie ans Licht gehoben. Erst auf den zweiten Blick ist mir aufgegangen, wie ungewöhnlich diese Tuschzeichnungen, unterlegt mit zarten Aquarellen, doch sind. Ansprechend ist die blaue Schriftfarbe bei den Seitenzahlen und den Kapitelüberschriften. Wobei ich mich schon gefragt habe, wie sinnvoll ihre Länge ist (manchmal sogar zwei Sätze lang), vergisst man sie doch sofort wieder.
    Angenehm glatt liegt der Schutzumschlag in der Hand, und das Lesebändchen in Blau. Mir gefällt das Buch sehr.

  • Harz von Ane Riel

    Jens Haarder ist ein liebevoller Vater, der auf übertriebene Weise sein Kind vor den Gefahren dieser Welt bewahren will. Vor allem aber will er es nicht verlieren, an was oder wen auch immer. Ein Mann mit starkem Beschützerinstinkt, der aber eben auch manisch sammelt und anhäuft. Ein paranoider Messie.
    Und so wird der Radius, der Liv für ihr eigenes Leben zugestanden wird, immer eingeschränkter, bis es enger nicht mehr geht. Ihr Container hat als unmittelbare Nachbarn etliche Särge. Särge, die in früheren Jahren auch mal ausprobiert worden sind. Ein allgegenwärtiger Tod. Neben wenigen Spielsachen gehören im Harz konservierte Tiere zu Livs Zeitvertreib. Ebenso die Briefe ihrer Mutter. Tja, und da ist auch noch Carl. Wer das ist? Lesen Sie selbst, wie es zu diesen absonderlichen Lebens- und "Besitzverhältnissen" kam und wie die Vergangenheit der Familie, besonders die von Jens, zuvor ausgesehen hat.
    Man kann mit fortschreitender Lektüre das Motiv zum krankhaften Tun des Vaters weitgehend verstehen. Trotzdem nagt es an der eigenen Psyche, dass man nur lesen und nicht eingreifen kann. Stellenweise ist es kaum auszuhalten, und die grösste Sympathie gilt natürlich dem Mädchen. Wobei mir scheint, dass es weniger als die Eltern unter Isolation und Angst leidet, denn der Container ist für Liv zum Alltag geworden.
    Der Thriller ist unterteilt in verschieden lange Abschnitte, manchmal nur mit einem kurzen Text, aus verschiedener Sicht. Bei Liv (und natürlich in den Briefen) wurde die Ich-Form gewählt, was besonders nahegeht. Das Geschehen ist sehr plastisch und lebendig geschildert, manchmal fast schon zu intensiv. Auf mich wirkt das Buch sehr bedrückend und verfolgt mich regelrecht, nachdem ich es beiseitegelegt habe. Grimms und Hauffs Horror-Märchen sind gar nicht weit entfernt. Gleichzeitig enthält der Text, quasi Inseln zwischen all dem Schrecken, ein wohltuendes Bouquet verschiedenster Düfte. Streckenweise ist es ein Lesen "der Nase nach", ausdrucksstark und sinnlich.
    Am Ende der einzelnen Abschnitte sind immer wieder raffinierte kleine Cliffhänger eingebaut. Und der Satz gleich zu Beginn ("…, als mein Vater meine Grossmutter umgebracht hat") könnte ein Klassiker für erste Sätze in der Literatur werden.
    Zum Cover: Fast erwartet man klebrige Buchstaben, wenn man den harzfarbenen Titel auf dem Umschlag berührt. Harz, die Absonderung vieler Bäume (ja, auch der Lackschildlaus), welche die geschlagene Wunde wieder verschliesst und zur Heilung beiträgt. Mehr als nur doppeldeutig!

  • Bell und Harry von Jane Gardam

    Es ist sehr zu bedauern, dass die Bücher von Jane Gardam erst so spät ins Deutsche übersetzt worden sind. 38 Jahre mussten vergehen, bis auch wir in den Genuss von "Bell und Harry" (und ihren anderen ganz besonderen Büchern) gekommen sind.
    Es ist die Geschichte einer Kindheit auf dem Land, irgendwo in Grossbritannien. Die Londoner Familie Bateman hat ein heruntergekommenes Bauernhaus in der Einöde gepachtet und wird anfangs mit etwas Distanz von ihren Wirten, dem Ehepaar Teesdale, betrachtet. Eines Nachts, als der kleine Bell pflichtbewusst das Weidegatter kontrolliert, wird er vom schlaflosen Harry beobachtet. Eine innige Bubenfreundschaft beginnt, die regelmässig zu Ferienzeiten ihre Fortsetzung findet. Einerseits führen die beiden teils waghalsige Unternehmungen durch, andrerseits haben sie selbst als Erwachsene das Staunen über Naturschönheiten nicht verlernt. Sie zweifeln auch nach Jahren keineswegs an der Existenz von Geistern und Feen – aber das tut der Schornsteinfeger Kendal auch nicht.
    Jane Gardam hat einen Blumenstrauss gebunden aus beinah märchenhaften Geschichten, kleinen Weisheiten, kostbaren Kindererlebnissen und Bubenseligkeit, garniert mit anschaulich dargebotenen Naturschilderungen. Schon, wie sie die Kristallwelten der Eiszapfen beschreibt, ist ein einziger Genuss.
    Die einfache Sprache (hervorragend übersetzt von Isabel Bogdan) mit kurzen Sätzen wirkt fast so, als sei der Roman für Kinder geschrieben. Doch die immer wieder eingestreuten Humorbeilagen benötigen die Denkweise von Erwachsenen. Ich habe immer wieder hell aufgelacht und empfehle das schmale Bändchen auch all jenen, die sich nicht oft an ein umfangreicheres Werk wagen.

  • Marina, Marina von Landau, Grit

    In diesem Roman wird das Leben und Lieben mehrerer Familien an der ligurischen Küste miteinander verwoben. Es gibt mehr oder weniger geheime Herzenswirrungen noch und noch. Da sind Träume und Pläne, welche das Schicksal und nicht zuletzt auch die Liebe immer wieder umstossen.
    Alle möglichen Variationen zum Thema Liebe werden behandelt, mit den Augen einzelner Bewohner gesehen. Im Zentrum bewegt sich die Figur der Marina, weshalb der Titel durchaus passend gewählt ist. Immer wieder sind Rückblicke eingestreut, die das frühere Geschehen erhellen. Aber etliche Erklärungen, welche gegen Ende des Romans nachgereicht werden, scheinen mir fast an den Haaren herbeigezogen.
    Die einzelnen Geschichten innerhalb des Romans greifen wie Teile eines Puzzles ineinander. Sehr interessant, wie die einzelnen Personen auf überraschende Wendungen reagieren. Die Sympathien werden dadurch manchmal umverteilt. Die meisten Personen erhalten sie schon deshalb, weil das, was sie umtreibt und handeln lässt, im alltäglichen Leben tief verankert ist.
    Die Spannung gestaltet sich sehr unterschiedlich, mal eher zäh, dann schwingt sie sich wieder zum Drama auf. An manchen Stellen hätte dem Erzählfluss etwas mehr Schub gutgetan. Ansonsten: ein Schreibstil wie sprudelnde Limo, dennoch nicht unbedingt light, sondern teils mit recht viel Tiefgang.
    Die vierzehn Kapitel werden jeweils von einem bekannten Schlagertitel eröffnet, dazu Infos zum Sänger oder zum Lied. Eine originelle Idee, hat doch jedes Lied einen besonderen Bezug zum folgenden Abschnitt.
    Für meinen Geschmack wurden übertrieben viele italienische Vokabeln verwendet, das wirkt unnatürlich und aufgesetzt. Das sehr ausführliche Glossar (20 Seiten) mit Übersetzungen und Begriffserklärungen ist denn auch notwendig. Bei den vielen Personen geht es ebenfalls nicht ohne ein Personenregister der beteiligten Familien.
    Das ansprechende Cover, eine verblasste Fotografie aus den Sechzigern über ein aktuelles Bild von heute gelegt, weist wohl auf die Vergangenheit und die mit ihr verschmolzene Gegenwart hin.
    Drei beigefügte Rezepte (Fleisch, Sugo und Sorbet) laden zum Nachkochen ein. Die Fotos im Buchdeckel untermauern das Italien-Klischee. Informativer ist die Landkarte im rückwärtigen Umschlag, an der man sich geografisch orientieren kann.
    Hübsch ist der Ortsname: Amato bedeutet "der zu liebende (Ort)".

  • Der Zopf meiner Großmutter von Alina Bronsky

    Max und seine Grosseltern wohnen als russische Auswanderer in einem deutschen Flüchtlingsheim. Doch der Bub darf keine unbeschwerte Kindheit haben, zu sehr will ihn die Grossmutter vor Keimen und anderen schädlichen Einflüssen bewahren. Dabei ist es eher ihr ungezügeltes Temperament, das Max gefährlich werden könnte. Sie nennt ihn Krüppel und stellt ihn vor anderen Leuten als debil hin. Auch der Grossvater wird von ihr ständig heruntergemacht. Aus praktischen Gründen lässt sie es ihm dennoch durchgehen, dass er sich in Nina verliebt und diese mit dem gemeinsamen Baby und einer älteren Tochter in ihrer engen Wohnung einzieht. Und als ihre Tatkraft gefordert ist, lässt die Grossmutter buchstäblich alte Zöpfe hinter sich und krempelt die Ärmel hoch.
    Alina Bronsky (ein Pseudonym) führt linear und zügig durch die Handlung, gewohnt farbig, plastisch, süffig. Kein Wort zu viel, und doch ist alles deutlich gesagt. Einmal mehr schreibt sie über eine charakterstarke Frau, streitbar, diktatorisch, aber mit einem grossen Herzen. Der Roman wartet auf mit der liebevollen Charakterisierung der Personen, der spitzzüngigen Strenge der Grossmutter, der sehnsüchtigen Verliebtheit des Grossvaters sowie dem Objekt seiner Liebe, der Klavierlehrerin Nina und ihrer älteren Tochter. Zwischen allen Fronten der kleine Max, verwirrt vom Chaos der seltsamen Beziehungen, dem Leben in Deutschland und der Existenz seines bislang unbekannten Vaters. Ihm gehört vor allem meine Sympathie, weil er geduldig die grossmütterlichen Torturen erträgt und es dennoch wagt, sich ihr todesmutig zu widersetzen. Der trotz allem Wahnsinn versöhnliche Ton rundet den Roman zu einem verdaulichen Stoff ab.
    Nachdem bereits in "Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche" von einer ungewöhnlichen, dort jedoch bösartigen Grossmutter die Rede ist, wäre es schon interessant zu wissen, welches Verhältnis die Autorin zu ihrer eigenen Oma hat (oder hatte). Es wird wohl ein schwieriges gewesen sein. Wer bisher noch nichts von Bronsky gelesen hat, dem sei ihr neues Werk empfohlen. Wer sie bereits kennt, liest es sowieso.

  • Bella Ciao von Raffaella Romagnolo

    Der zweite Weltkrieg ist vorbei, und Giulia Masca kehrt als erfolgreiche, reiche Frau nach 46 Jahren in Amerika zurück in ihre Heimat. Seinerzeit hat sie Hals über Kopf Italien den Rücken gekehrt, nachdem sie erfahren hat, dass ihr Verlobter ausgerechnet zum Liebhaber ihrer besten Freundin geworden ist. Schwanger war sie damals ausserdem. Mit sehr gemischten Gefühlen tritt sie nun ihrer Vergangenheit entgegen und erfährt schrittweise, was in den schwierigsten Jahren Europas den Menschen geschehen ist, die ihr nahegestanden haben. Zwei Weltkriege sind vorübergezogen und haben elementare Schäden in Italien angerichtet, nicht nur materieller Art. Sie hingegen ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten trotz aller Vorurteile gegenüber Einwanderern die Leiter emporgestiegen. Die USA waren ja auch kein Kriegsschauplatz. Nun kehrt sie mit Limousine und Chauffeur nach Borgo di Dentro zurück. Eine Story, die fast an Dürrenmatts "Besuch der alten Dame" erinnert.
    Der Roman wird mit Spannung und Sog in einem unaufgeregten Ton und einer angenehmen Sprache erzählt, was auch der Übersetzungsleistung der bewährten Übersetzerin Maja Pflug geschuldet ist. Farbig, plastisch und lebendig führt die Autorin durch die drei Teile des Buches und geizt dabei nicht mit präzisen Beschreibungen, die manchmal bis ins Kleinste gehen. Man ist so richtig mit dabei. Dass die Handlung mit zeitlichen Bezügen durchsetzt ist, versteht sich von selbst, geht ja gar nicht anders.
    Doch lange Absätze und nur wenige Dialoge machen das Lesen anstrengend, vor allem, da es viel Durchhaltewillen braucht, um überhaupt in den Stoff hineinzufinden. Hilfreich sind die verschiedenen Personentafeln, welche die Hunde gleich mit einschliessen. Trotzdem wäre es notwendig gewesen, wenn diverse Personen anschaulicher eingeführt worden wären.
    Viele Zeitsprünge können zudem verwirrend wirken, wenn man sich nicht in kurzer Zeit durch das Buch liest (immerhin sind es über 500 Seiten). Die Sympathien sind nicht immer auf Seiten der Hauptprotagonistin, schon gar nicht, wenn sie Ausdrücke aus der untersten Schublade benutzt. Auch scheint mir der Schreibstil ein anderer, wenn Romagnolo die Geschehnisse in New York schildert.
    Das bekannte Partisanenlied, das für den Titel verwendet wurde, und das Gemälde auf dem Cover wurden klug und sinnreich ausgesucht. Ein Roman, der nicht allen gefallen, aber bestimmt viele Interessierte finden wird.

  • Der junge Mediziner Norton Perina reist mit seinem Mentor Paul Tallent zur mikronesischen Insel Ivu'ivu, wo die beiden einem Menschenstamm begegnen, der körperlich nicht älter zu werden scheint. Offensichtlich liegt es daran, dass die Leute sich von einer bestimmten Schildkrötenart ernähren. Diese Erkenntnis behält Perina aber nicht für sich, sondern veröffentlicht sie und heimst damit jede Menge Ruhm und Anerkennung ein, bis hin zum Nobelpreis. Aber der Baum der Erkenntnis trägt giftige Früchte: Kurz danach wird die Insel regelrecht gestürmt, die Ruhe der Inselbewohner wird zerstört, Kommerz, Ausbeutung und Gier halten Einzug in das ehemalige Paradies.
    Doch Forschungserfolg will Beifall, will mehr als nur Ruhm. Will mehr als nur die übliche Form der Liebe. Und so ist es nicht weit bis zum Verdacht der Pädophilie. Sein ganzes Genie nützt Perina nichts mehr, er wird des Kindesmissbrauchs bezichtigt und zu einer Haftstrafe verurteilt.
    Schon zu Beginn liegen alle Karten auf dem Tisch. Deshalb geniesst der geniale Wissenschaftler auch à priori keine Lesersympathien. Doch führt Yanagihara uns immer tiefer in seine Person. Sie lässt Perina in einer Sprache erzählen, deren Sog man sich kaum entziehen kann und der einem trotz allem eine widerwillige Anerkennung abringt. Denn nach und nach lernt man den Menschen verstehen und begreift, wie eng Genie, Hochmut, Perversion und Verbrechen beisammen sein können. Immer wieder wird man gebeutelt zwischen Abscheu, Mitleid und Anerkennung. Doch man darf nie vergessen, wem man da zuhört, wenn die tiefe Stimme Perinas ertönt: doch nur einem gewissenlosen Scheusal, das sich mit allen Mitteln zu verteidigen versucht.
    Wer sich beim Lesen gern in Komfortzonen bewegt, dem ist von diesem Buch abzuraten. Man muss den Stoff ertragen können, wie schon beim Erstlingswerk "Ein wenig Leben". Die Autorin spielt auf sämtlichen Klaviaturen menschlicher Stärken und noch mehr der Schwächen, bringt eine verwirrende Menge von Informationen und wissenschaftlichen Einzelheiten hinein. Vielleicht hätte ich mich in der Druckversion leichter zurechtgefunden, wo man immer wieder zurückblättern kann.
    In diesem Hörbuch führen zwei sehr unterschiedliche Stimmen (die tiefe, ernste des genialen Wissenschaftlers Perina und helle, behutsam erzählende seines Mitarbeiters Dr. Ronald Kubodera) im Wechsel durch das umfangreiche, in reichhaltiger, farbig-plastischer Sprache erzählte Werk.

  • In diesem Roman wird von den fünf Frauen Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinda und ihrer Geschichte erzählt. Die ist aber durchaus nicht gefällig-rosarot, sondern eher auf der Schattenseite des Lebens angesiedelt. Sie alle sind miteinander verbunden, was sich erst nach und nach herausstellt. Da wird nichts beschönigt, und beim Lesen fühlt man sich manchmal recht unbehaglich, vielleicht weil man sich in den Frauen ab und zu selbst erkennt.
    In den fünf Teilen des Buches werden sie nacheinander beleuchtet, ihre Stärken, Schwächen, Entscheidungen. Es geht um ihre Partner und Kinder, um Verlust und Verdruss, Trauer und Lebenskampf, um ein tapferes "Trotz allem" - und zwischendurch auch um kleine Freuden. Ein wichtiges Thema ist der Fall der Berliner Mauer, und was er mit sich gebracht hat: eine neue Freiheit mit ihren Tücken. Es geht aber auch um Kultur, um Musik und Literatur.
    In einem erfrischenden, lebendig-farbigen Stil geschrieben, mit Tempo durchgezogen, öffnet der Roman den Blick auf andere Arten, das Leben zu gestalten, sich durchzusetzen, sich selbst nicht zu verlieren. Aber eben: Jeder muss seinen eigenen Weg finden, und er ist halt oft recht dornig.
    Das Coverbild zeigt sehr passend eine Frau kurz vor einem vielleicht waghalsigen Sprung. Aber ist das nicht ein Sinnbild für jeden Lebensweg?
    Ich habe den Text als Hörbuch genossen, was den Nachteil hatte, dass ich nicht zurückblättern konnte, wenn ich die Personen manchmal nur schwer auseinanderhalten konnte. Mit Verve gelesen von Bibiana Beglau, Maren Eggert, Nina Kunzendorf, Jeannette Hain und Anna Schudt, hat jede Figur ihre charakteristische Stimme erhalten. Mir hat der Roman sehr gefallen.