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Der BriefOverlay E-Book Reader
E-Book (EPUB)
240 Seiten
Sprache Deutsch
2. Aufl.
2017 dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
ISBN 978-3-423-43147-7
 

Kurztext / Annotation

Eine Frau zwischen zwei Leben Marie, Anfang 30, ist höchst irritiert, als sie die Zeilen ihrer alten Schulfreundin Christine liest. Darin ist von Maries Leben in Paris die Rede, von ihrem Mann Victor, dem erfolgreichen Galeristen, und von ihrer lebensbedrohlichen Krankheit. Tatsächlich erfreut sich Marie jedoch bester Gesundheit, arbeitet als Journalistin in Hamburg und führt eine glückliche Beziehung mit der Architektin Johanna. Aber der mysteriöse Brief lässt Marie keine Ruhe. Kurz entschlossen reist sie nach Paris - und findet sich in einem Leben wieder, das ihr seltsam vertraut ist.

Carolin Hagebölling lebt seit 2010 als freiberufliche Texterin, Konzeptionerin und Redakteurin in München und Düsseldorf. Sie liebt die Berge, das Reisen, das Schreiben und den Blick über den eigenen Horizont.


Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet


Textauszug

Kapitel 1

Es war der 26. Mai, als ich den Brief bekam. Es war einer dieser Tage, die sich nicht entscheiden können, ob sie der Sonne eine Chance geben wollen. Es war der Tag, der mein Leben auf den Kopf stellte.

 

Der Brief kam in einem dieser unscheinbaren blassweißen Umschläge, die es im Zwanzigerpack in jeder Postfiliale gibt. Versehen mit einer handgeschriebenen Adresse, der ich eigentlich keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Ich tat es dennoch, denn: Es war die falsche. Auf dem Brief stand:

Marie Kluge

15 Rue Visconti

75006 Paris

France

Ich lachte. Sollte das ein Scherz sein? Ich hatte noch nie in meinem Leben in Paris gewohnt und konnte mich nur schemenhaft an die Stadt erinnern, die ich in Kindheitstagen mal mit meinen Eltern besucht hatte. Vielleicht war ich gar nicht gemeint. So ungewöhnlich war mein Name nicht, dass es nicht auch eine Namensvetterin geben konnte, die zufällig nach Frankreich ausgewandert war. Aber wie kam der Postbote dann auf meine Adresse in Hamburg? Ich drehte den Brief um. Absenderin war Christine Hausmann. Christine Hausmann, hmm.

Es dauerte einen Moment, bis ich mich an eine alte Jugendfreundin erinnerte, die ich seit bestimmt fünfzehn Jahren nicht mehr getroffen hatte. Konnte das sein? Laut Absender wohnte sie nun in Berlin. Die Briefmarke zeigte den Berliner Gendarmenmarkt, der Poststempel ließ sich nicht entziffern.

Noch immer leicht belustigt ging ich in die Küche. Dort öffnete ich den Brief gegen meine Gewohnheit nicht mit den Fingern, sondern fein säuberlich mit einem Messer. Ich zog einen weißen Bogen heraus, dessen Ränder mit schlichten Ornamenten verziert waren, faltete ihn auseinander und begann zu lesen. Und mit jeder Zeile, jedem Satz und jedem Wort, das ich las, entfernte ich mich unmerklich aus einem Leben, das ich bisher als normal empfunden hatte. In dem Brief stand:

Liebe Marie,

 

jetzt haben wir schon so lange nichts mehr voneinander gehört. Aber Du weißt ja, wie das ist: Der Job, die Familie, die vielen kleinen und großen Verpflichtungen und, schwupps, ist schon wieder ein halbes Jahr rum. Wie geht es Dir und Victor? Habt ihr euch von dem Vorfall erholt? Ich bewundere Deine Stärke. Wie oft habe ich während der schweren Zeit daran gedacht, wie wir als Kinder in dem kleinen Wald hinter der Scheune gespielt haben. Kannst Du Dich noch an unser Versteck erinnern? Ich wette, unsere Kreidezeichnungen sind dort noch heute irgendwo.

Oje, ich will gar nicht so nostalgisch werden. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ab Mitte dreißig die Uhren wieder rückwärts laufen. Vor allem, wenn man Kinder hat. Paul und Amelie sind zwei echte Goldstücke. Amelie läuft jetzt seit ein paar Monaten und Paul ist so ein schlaues Kerlchen, dass wir ihn wahrscheinlich dieses Jahr schon einschulen werden. Keine Ahnung, von wem er das hat.

Wie geht es Dir in Paris? Was für eine schöne Stadt! Wie laufen die Ausstellungen? Ach je, wir müssen uns einfach wieder treffen.

Komm doch mal nach Berlin - wir würden uns freuen!

 

Alles Liebe + Umarmung

Deine Christine

 

PS: Ich soll Dich von Yvonne grüßen. Sie ist mir durch Zufall über den Weg gelaufen, als ich meine Eltern besucht habe.

Mein Mund war trocken. Ich schluckte. Das war nicht mehr lustig. Weil alles in dem Brief auf seltsame Weise vertraut und doch komplett verkehrt war. Christine und ich waren Sandkastenfreundinnen gewesen, wir hatten die Schulzeit miteinander verbracht. Aber danach war der Kontakt vollständig abgebrochen. Ich wusste nur eines ganz sicher: dass sie nicht in Berlin wohnte, sondern immer noch in unserem Heimatdorf in Niedersachsen. Meine Mutter hatte mir mal erzählt, dass sie geheiratet und einen kleinen Jungen bekommen hatte.


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