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Inhaltsverzeichnis



KAPITEL I


Ein unerwartetes Fest 13


KAPITEL II


Hammelbraten 47


KAPITEL III


Eine kurze Rast 68


KAPITEL IV


Drüber hin und unten durch 80


KAPITEL V


Rätsel im Dunkeln 96


KAPITEL VI


Aus der Pfanne ins Feuer 124


KAPITEL VII


Ein seltsames Quartier 150


KAPITEL VIII


Fliegen und Spinnen


KAPITEL IX


Fässer unverzollt 221


KAPITEL X


Ein begeisterter Empfang 243


KAPITEL XI


Auf der Türschwelle 259


KAPITEL XII


Aus gutunterrichteter Quelle 271


KAPITEL XIII


Nicht daheim 299


KAPITEL XIV


Feuer und Wasser 314


KAPITEL XV


Die Wolken sammeln sich 327


KAPITEL XVI


Ein Dieb in der Nacht 340


KAPITEL XVII


Die Wolken bersten


KAPITEL XVIII


Der Rückweg 363


KAPITEL XIX


Die letzte Etappe 374



Textauszug



KAPITEL I


EIN UNERWARTETES FEST



In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit. Nicht in  einem feuchten, schmutzigen Loch, wo es nach Moder  riecht und Wurmzipfel von den Wänden herabhängen, und  auch nicht in einer trockenen, kahlen Sandgrube ohne Tische und Stühle, wo man sich zum Essen hinsetzen kann:  Nein, das Loch war eine Hobbithöhle, und das heißt, es war  sehr komfortabel.Die Tür war kreisrund wie ein Bullauge, grün gestrichen,  mit einem blanken gelben Messingknopf genau in der Mitte.  Sie führte in eine röhrenförmige Diele, eine Art Tunnel, aber  ein sehr komfortabler, luftiger Tunnel mit holzgetäfelten  Wänden, gekacheltem und mit Teppichen belegtem Fußboden, lackierten Stühlen und einer Unmenge Haken an der  Wand für Hüte und Mäntel – der Hobbit hatte gern Besuch.  Die Diele zog sich in Windungen ein ganzes Stück weit hin,  aber nicht tief in den Bühl hinein – so wurde die kleine Anhöhe von den Nachbarn auf etliche Meilen im Umkreis genannt –, und viele kleine runde Türen gingen darauf hinaus,  abwechselnd zu beiden Seiten. Treppen brauchte der Hobbit  nicht zu steigen: Schlafzimmer, Bad, Keller, Speisekammern  (deren er mehrere hatte), Garderoben (ganze Kammern voller Kleider), die Küche und die Speisezimmer, alles lag auf  gleicher Höhe und grenzte an diesen Gang. Die besten Zimmer waren auf der linken Seite (wenn man hereinkam), denn  nur hier gab es Fenster, tief über dem Boden angesetzte runde  Fenster, aus denen der Hobbit auf seinen Garten und die  zum Fluss abfallenden Wiesen dahinter hinaussah.Dieser Hobbit war ein sehr wohlhabender Hobbit, und  er hieß Beutlin. Die Beutlins wohnten schon seit unvordenklichen Zeiten in der Gegend um den Bühl und galten  als sehr achtbare Leute, nicht nur, weil die meisten von ihnen  reich waren, sondern auch, weil sie sich nie auf irgendwelche  Abenteuer einließen oder etwas Unerwartetes taten: Was  ein Beutlin auf irgendeine Frage sagen würde, wusste man  immer schon, ohne die Frage erst stellen zu müssen. Unsere  Geschichte nun handelt von einem Beutlin, der dennoch  in ein Abenteuer hineingeriet und der sich dabei ertappen  musste, wie er Dinge sagte und tat, die ihm niemand zugetraut hätte. Die Achtung seiner Nachbarn mag er dabei verloren haben, aber er gewann – na, ihr werdet ja sehen, ob er  am Ende auch etwas gewann.Die Mutter des Hobbits, von dem wir reden – aber was  ist ein Hobbit? Ich glaube, ein paar Angaben sind nötig,  denn die Hobbits sind heutzutage selten und gehen dem  Großen Volk, wie sie uns nennen, scheu aus dem Weg. Sie  sind (oder waren) kleine Leutchen, etwa halb so groß wie  wir, kleiner noch als die langbärtigen Zwerge. Hobbits haben keine Bärte. Mit Zauberei haben sie wenig oder nichts  zu tun, abgesehen von dem bisschen Alltagsmagie, das ihnen  erlaubt, schnell und geräuschlos zu verschwinden, wenn  große, täppische Leute wie du und ich dahergestapft kommen, mit einem Lärm wie eine Elefantenherde, den die  Hobbits meilenweit hören. Sie werden oft ein wenig rund  um die Leibesmitte und kleiden sich in helle Farben  (vor allem Grün und Gelb). Schuhe tragen sie nicht, weil ihnen an den Füßen natürliche Ledersohlen und ein dichter  brauner Pelz wachsen, ähnlich wie das Kraushaar auf ihren  Köpfen. Sie haben lange und geschickte braune Finger, gutmütige Gesichter und ein tiefes, saftiges Lachen (besonders  nach dem Mittagessen, das sie am liebsten zweimal täglich  einnehmen). Damit wisst ihr über Hobbits fürs Erste genug.  Wie schon gesagt, die Mutter dieses Hobbits – Bilbo Beutlins nämlich – war die fabelhafte Belladonna Tuk, eine der  drei vortrefflichen Töchter des Alten Tuk. Der Alte Tuk war  das Familienoberhaupt der Hobbits, die irgendwo jenseits  der Wässer wohnten, des Flüsschens, das am Fuße des Bühls  vorüberfloss. In den anderen Hobbitfamilien wurde gemunkelt, vor langer Zeit müsse ein Tuk einmal eine Elbin geheiratet haben. Das war natürlich Unsinn, aber immerhin  war an dieser Sippe noch etwas nicht ganz Hobbitmäßiges,  und dann und wann kam es vor, dass ein Tuk fortging und  in Abenteuer verwickelt wurde. Meistens verschwand er  dann unauffällig, und die Familie vertuschte die Angelegenheit; aber Tatsache blieb, dass die Tuks, obwohl zweifellos  reicher als die Beutlins, doch keine ganz so ehrbaren Leute  waren.Nicht dass Belladonna Tuk je wieder ein Abenteuer erlebt hätte, nachdem sie einmal Bungo Beutlins Frau geworden war. Bungo, das war Bilbos Vater, baute für sie (und zum  Teil mit ihrem Geld) die luxuriöseste Hobbithöhle, die es auf  oder unter dem Bühl oder jenseits der Wässer zu sehen gab,  und dort wohnten sie bis ans Ende ihrer Tage. Trotzdem ist  es wahrscheinlich, dass Bilbo, ihr einziges Kind und in Aussehen und Benehmen ganz der behäbige Vater, etwas von  einem Tuk mitbekommen hatte, eine absonderliche Ader,  die bei passender Gelegenheit hervortreten konnte. Die Gelegenheit kam nie, bis Bilbo Beutlin erwachsen, das heißt,  etwa fünfzig Jahre alt war, und noch immer wohnte er in der  schönen Hobbithöhle, die sein Vater gebaut hatte und in der  er nun so gut wie festgewachsen zu sein schien.Es war ein merkwürdiger Zufall. Eines Morgens in der  Frühe der Zeiten, als es noch mehr Grün und weniger Lärm  auf der Welt gab, als die Hobbits noch zahlreich waren und es  ihnen gutging, stand Bilbo Beutlin nach dem Frühstück vor  seiner Tür und rauchte eine gewaltige lange Holzpfeife, die  fast bis zu seinen pelzigen (und sauber gebürsteten) Zehen  herabreichte, als Gandalf daherkam. Gandalf! Wenn ihr nur  den vierten Teil von all dem gehört hättet, was ich über ihn  gehört habe – und ich weiß selbst nur wenig von dem, was es  da zu wissen gibt –, dann würdet ihr euch auf eine erstaunliche Geschichte gefasst machen. Abenteuer und Gerüchte  außergewöhnlichster Art schienen ihm auf dem Fuße zu folgen, wohin er auch ging. Unter dem Bühl war er seit ewigen  Zeiten nicht mehr vorbeigekommen, seit sein Freund, der  Alte Tuk, gestorben war, und die Hobbits hatten fast vergessen, wie er aussah. Das letzte Mal war er da gewesen, als sie  alle noch kleine Hobbitjungen und Hobbitmädchen waren,  und seither hatte er anderswo zu tun gehabt, irgendwo in den  Gegenden hinter dem Bühl und jenseits der Wässer.Alles, was der ahnungslose Bilbo an diesem Morgen sehen  konnte, war ein alter Mann mit einem Stab. Er trug einen  spitzen blauen Hut, einen langen grauen Mantel, ein silberweißes Halstuch, über dem ein weißer Bart bis zum Gürtel  herabhing, und große schwarze Stiefel.»Einen schönen guten Morgen!«, sagte Bilbo, und genau  so meinte er es auch. Die Sonne schien, und das Gras war  grün. Aber Gandalf sah ihn, unter seinen buschigen Brauen,  die weiter hervorstachen als die Krempe seines Hutes,  scharf an.»Wie meinen Sie das?«, sagte er. »Wünschen Sie mir  einen guten Morgen, oder meinen Sie, dass es ein schöner  Morgen ist, egal was wir wünschen; oder dass Sie an diesem  Morgen alles schön und gut finden, oder dass man an diesem  Morgen gut oder schön sein muss?«»Alles zugleich«, sagte Bilbo. »Und außerdem genau die  richtige Zeit, um vor der Tür eine Pfeife zu rauchen. Wenn  Sie eine Pfeife dabeihaben, setzen Sie sich doch her und  stopfen Sie sich eine mit meinem Tabak! Wir haben keine  Eile, der ganze Tag liegt noch vor uns!« Dann setzte Bilbo  sich auf die Bank vor seiner Tür, schlug die Beine übereinander und blies einen schönen grauen Rauchring, der in die  Luft aufstieg, ohne zu zerreißen, und über den Bühl davonschwebte.»Sehr nett!«, sagte Gandalf. »Aber heute Morgen habe  ich keine Zeit, Rauchringe zu blasen. Ich stecke in den Vorbereitungen für ein Abenteuer und suche jemanden, der  noch mitmacht. Es ist sehr schwer, jemanden zu finden.«»Kann ich mir denken – hier in der Gegend. Wir sind  alles einfache, ruhige Leute und haben für Abenteuer nichtsübrig. Dabei hat man nur Ärger und Scherereien! Man  kommt nicht mal mehr rechtzeitig zum Essen! Ich versteh  nicht, was man daran finden kann«, sagte unser guter Bilbo  Beutlin, klemmte einen Daumen hinter seinen Hosenträger  und blies einen noch größeren Ring aus. Dann nahm er sich  die Post vor, die am Morgen gekommen war, und fing an zu  lesen, als ob der alte Mann nicht mehr da wäre. Er fand, das  war kein Umgang für ihn; hoffentlich ginge der Kerl nun weiter. Aber der rührte sich nicht. Er stand da, auf seinen Stock  gestützt, und schaute den Hobbit an, ohne etwas zu sagen, bis  Bilbo ganz nervös und ein bisschen ungehalten wurde.»Guten Morgen!«, sagte er schließlich. »Für Abenteuer  haben wir hier keine Verwendung, nein danke! Versuchen  Sie’s doch mal hinter dem Bühl oder drüben jenseits der  Wässer.« Damit wollte er sagen, dass er das Gespräch für beendet hielt.»Was Sie mit einem
Guten Morgen
alles sagen können!«,  sagte Gandalf. »Jetzt bedeutet es, dass Sie mich loswerden  wollen und dass der Morgen erst gut werden kann, wenn ich  fort bin.«



»Aber nicht doch, keineswegs, mein werter Herr – ach,  ich weiß gar nicht, wie war doch Ihr Name?«


»Ja, ja, mein werter Herr! – aber Ihren Namen weiß ich,  Herr Bilbo Beutlin. Und Sie kennen meinen Namen auch,  Sie wissen nur nicht, dass er zu mir gehört. Ich bin Gandalf,  Gandalf bin ich! Dass ich das noch erleben muss: Belladonna  Tuks Sohn will mich mit einem Guten Morgen abwimmeln  wie einen Hausierer, der Knöpfe verkauft!«


»Gandalf, Gandalf! Du liebe Güte, doch nicht der Wanderzauberer, von dem der Alte Tuk die magischen Manschettenknöpfe aus Diamant bekommen hat, die sich von selbst  einhakten und nur auf Befehl wieder aufgingen? Doch nicht  der alte Knabe, der an den Festtagen immer so wundervolle  Geschichten erzählt hat, von Drachen, Orks, Riesen, von geretteten Prinzessinnen und vom unverhofften Glück armer  Witwensöhne? Und der immer so ein unglaubliches Feuerwerk gemacht hat! Das weiß ich noch! Der Alte Tuk ließ  immer zur Sommersonnenwende eines abbrennen. Herrlich!  Das stieg auf wie große Lilien von Feuer, wie Löwenmaul  und Goldregen, und hing den ganzen Abend am Himmel.«  Ihr werdet schon bemerkt haben, dass Herr Beutlin nicht  ganz so prosaisch war, wie er selbst gern glaubte, und dass er  ein Blumenfreund war. »Du lieber Himmel!«, fuhr er fort.»Doch nicht der Gandalf, der schuld war, dass so viele ganz  vernünftige Jungen und Mädchen ins Blaue hinein auf verrückte Abenteuer auszogen, angefangen beim Herumklettern auf Bäumen bis hin zu Besuchen bei den Elben oder  Seereisen zu fremden Küsten! Mein lieber Mann, das war  schon ein ganz inter… ich meine, Sie haben dann und wann  hier in der Gegend allerhand Staub aufgewirbelt. Ich bitte  um Verzeihung, aber ich hatte keine Ahnung, dass Sie immer noch im Geschäft sind.«


»Wo sollte ich sonst sein?«, sagte der Zauberer. »Trotzdem, es freut mich, dass Sie mich noch nicht ganz vergessen haben. Meine Feuerwerke wenigstens scheinen Ihnen  in guter Erinnerung geblieben zu sein, und das lässt ein wenig hoffen. Und um Ihres seligen Großvaters Tuk und der  armen Belladonna willen gewähre ich Ihnen, was Sie erbeten  haben.«


»Verzeihen Sie, ich habe doch nichts erbeten!«


»Doch, eben schon zum zweiten Mal! Meine Verzeihung. Die haben Sie. Ich will sogar noch weiter gehn und Sie  auf dieses Abenteuer mitnehmen. Wird sehr lustig für mich  und sehr gut für Sie – und einträglich auch, sehr wahrscheinlich, wenn Sie’s überleben.«


»Tut mir leid! Ich wünsche keine Abenteuer, nein danke!  Heute nicht. Guten Morgen! Aber bitte kommen Sie doch  mal zum Tee – jederzeit, wenn es Ihnen passt! Warum nicht  morgen? Kommen Sie doch morgen! Wiedersehn.« Und  damit drehte der Hobbit sich um, huschte hinter seine runde  grüne Tür und machte sie so schnell zu, wie er es glaubte riskieren zu können, ohne unhöflich zu erscheinen. Bei Zauberern konnte man nie wissen.


»Warum in aller Welt habe ich ihn bloß zum Tee eingeladen?«, sagte er zu sich selbst, als er in die Speisekammer  ging. Er hatte zwar eben erst gefrühstückt, fand aber, dass  ein paar Kekse und etwas zu trinken ihm nach dem Schreck  guttun würden.


  Unterdessen stand Gandalf immer noch draußen vor der  Tür und lachte lange still in sich hinein. Nach einer Weile  trat er näher an die schöne grüne Tür des Hobbits heran und  kratzte mit der Spitze seines Stabes ein sonderbares Zeichen  hinein. Dann ging er fort, als Bilbo eben seinen zweiten  Keks verzehrt hatte und sich allmählich bei dem Gedanken  beruhigte, dass die Abenteuer noch mal an ihm vorübergegangen waren.


  Am nächsten Tag hatte er Gandalf fast vergessen. Er behielt solche Dinge meistens nur, wenn er sie in seinen Terminkalender eintrug, etwa so:
Gandalf Tee Mittwoch.
Daran  hatte er gestern in seiner Aufregung nicht gedacht.


  Erst kurz vor der Teestunde, als es stürmisch an der Tür  klingelte, fiel es ihm wieder ein! Er setzte rasch den Kessel  auf, stellte eine zweite Tasse und Untertasse und ein paar  Kekse mehr auf den Tisch und rannte zur Tür.


»Tut mir ja so leid, dass ich Sie warten lassen musste!«,  wollte er gerade sagen, als er sah, dass es nicht Gandalf war,  der vor ihm stand. Es war ein Zwerg mit blauem, unter einem  goldenen Gürtel festgesteckten Bart und sehr hell leuchtenden Augen unter einer dunkelgrünen Kapuze. Sobald die  Tür auf war, schob er sich herein, als glaubte er, erwartet zu  werden.


  Er hängte seinen Kapuzenmantel an den nächsten Haken. »Dwalin, zu Diensten!«, sagte er mit einer tiefen Verbeugung.


»Bilbo Beutlin, zu Diensten!«, sagte der Hobbit, zu verblüfft fürs Erste, um irgendwelche Fragen zu stellen. Als das  Schweigen, das nun eintrat, drückend wurde, fügte er hinzu:»Ich bin grad beim Tee, bitte kommen Sie doch rein und  nehmen Sie etwas zu sich!« Ein bisschen steif vielleicht, aber  er meinte es freundlich. Und was würdet ihr tun, wenn ein  uneingeladener Zwerg plötzlich vor eurer Tür stünde und  ohne ein Wort der Erklärung seine Sachen in eurer Diele  aufhängte?


  Sie saßen noch nicht lange bei Tisch, waren kaum beim  dritten Keks angelangt, als es schon wieder klingelte, lauter  als das erste Mal.


»Entschuldigen Sie!«, sagte der Hobbit und ging zur Tür.


»Na, da sind Sie ja endlich!«, wollte er nun zu Gandalf  sagen. Aber es war wieder nicht Gandalf. Sondern ein sehr  alter Zwerg mit weißem Bart und scharlachroter Kapuze;  und auch er kam gleich herein, als wäre er eingeladen.


»Aha, die andern kommen auch schon«, sagte er, als er  Dwalins grüne Kapuze sah. Er hängte seine rote daneben.»Balin, zu Diensten!«, sagte er und legte die Hand auf die  Brust.


»Danke!«, sagte Bilbo, nach Luft schnappend. Es war  nicht die korrekte Antwort, aber das
Die-andern-kommenauch-schon
hatte ihn sehr verwirrt. Er hatte gern Besuch, aber  von Leuten, die er schon kannte, bevor sie kamen, und von  solchen, die er eingeladen hatte. Der entsetzliche Gedanke  kam ihm, dass die Kekse vielleicht nicht reichen würden,  und dann müsste er – als Gastgeber kannte er seine Pflichten und erfüllte sie, so schwer es ihm fallen mochte – dann  müsste er leer ausgehen.


»Kommen Sie doch rein auf eine Tasse Tee!«, brachte  er schließlich heraus, nachdem er einmal tief durchgeatmet  hatte.


»Ein kleines Bier wäre mir lieber, wenn es Ihnen nichts  ausmacht, mein Bester«, sagte Balin mit dem weißen Bart.»Aber gegen ein Stück Kuchen hätte ich auch nichts – Kümmelkuchen, wenn Sie welchen haben.«


»Alles da!«, hörte Bilbo sich zu seiner eigenen Überraschung sagen; und schon hastete er los, zuerst in den Keller,  um einen Bierkrug zu füllen, dann in die Speisekammer, um  die zwei schönen runden Kümmelkuchen zu holen, die er  sich erst am Nachmittag gebacken hatte, als Nachtisch zum  Abendbrot.


  Als er wiederkam, plauderten Balin und Dwalin am  Tisch schon wie alte Freunde (tatsächlich waren sie sogar  Brüder). Er stellte das Bier und den Kuchen vor sie hin, als  es schon wieder laut an der Tür klingelte, einmal und dann  noch einmal.


»Diesmal ist es aber sicher Gandalf«, dachte er, als er  den Flur entlangkeuchte. Aber nein! Noch zwei Zwerge,  beide mit blauen Kapuzen, silbernen Gürteln und gelben  Bärten; und jeder von beiden trug einen Sack mit Werkzeugen und einen Spaten. Als die Tür aufging, drängten sie  sich auch schon herein – was Bilbo nun kaum mehr überraschte.


»Was kann ich für Sie tun, meine Herren Zwerge?«,  sagte er.


»Kili, zu Diensten!«, sagte der eine. »Und Fili!«, ergänzte  der andere, und sie streiften beide ihre blauen Kapuzen ab  und verbeugten sich.


»Und zu Ihren und Ihrer Familie Diensten!«, antwortete  Bilbo, denn dieses Mal besann er sich auf seine guten Manieren.


»Dwalin und Balin sind schon da, wie ich sehe«, sagte  Kili. »Na, dann gehn wir mal zu dem Haufen!«


»Haufen!«, dachte Bilbo. »Wie sich das schon anhört!  Jetzt muss ich mich erst mal eine Minute hinsetzen und  einen Schluck trinken, damit ich zur Besinnung komme.«  Und zu mehr als einem Schluck kam er nicht, in einer Ecke,  während die vier Zwerge um den Tisch saßen, über Bergwerke, Gold, Probleme mit den Orks und mit räuberischen  Drachen redeten und über tausend andere Dinge, von denen  er nichts verstand und nichts verstehen wollte, denn sie klangen ihm viel zu abenteuerlich – da,
ding-dong-a-ling-dang,
klingelte es schon wieder, so laut, als ob irgendein Hobbitlausbub den Griff abzureißen versuchte.


»Da ist wohl jemand an der Tür«, sagte er blinzelnd.


»Mindestens vier, würde ich sagen, so wie es sich anhört«,  sagte Fili. »Wir haben sie übrigens auch in einigem Abstand  hinter uns herkommen sehn.«


  Der arme kleine Hobbit setzte sich in der Diele erst  einmal hin, legte den Kopf in die Hände und fragte sich,  was denn nur los sei, was noch alles passieren könnte und ob  der ganze Klüngel wohl zum Abendessen dableiben würde.  Dann klingelte es noch einmal, lauter denn je, und er musste  sich beeilen, dass er zur Tür kam. Es waren nicht vier, es waren FÜNF. Einer war noch nachgekommen, während er in  der Diele gegrübelt hatte. Kaum hatte er den Türknopf umgedreht, als sie auch schon drinnen waren, sich verbeugten


  und einer nach dem andern ihr »zu Diensten« aufsagten. Sie


  hießen Dori, Nori und Ori, Oin und Gloin; und schon hingen zwei purpurrote Kapuzenmäntel, ein grauer, ein brauner


  und ein weißer an den Kleiderhaken, und die Neuankömmlinge stapften hinein zu den anderen, die breiten Hände


  unter ihre goldenen und silbernen Gürtel geklemmt. Nun


  war es fast schon wirklich ein Haufen. Manche riefen nach


  Ale, manche nach Porter, einer nach Kaffee, und alle wollten


  Kuchen. Eine ganze Weile hatte der Hobbit alle Hände voll


  zu tun.


  Gerade hatte er eine große Kanne Kaffee zum Warmhalten in den Kamin gestellt, die Kümmelkuchen waren verschwunden, und die Zwerge machten sich über gebutterte


  Hefewecken her, als – als es laut an die Tür pochte. Nicht


  klingelte, sondern pochte: ein hämmerndes Rattatatt an der


  schönen grünen Tür der Hobbithöhle. Jemand musste mit


  einem Stock dagegen stoßen!


  Er stürmte die Diele entlang, in heller Wut, aufgeregt


  und verwirrt – dies war der schlimmste Mittwoch, den er je


  erlebt hatte. Mit einem Ruck riss er die Tür auf, und sie purzelten alle herein, einer über den andern. Wieder Zwerge,


  noch vier! Und hinter ihnen stand Gandalf, auf seinen Stab


  gestützt, und lachte. In die schöne Tür hatte er eine ansehnliche Delle geschlagen und dabei zugleich das geheime Zeichen getilgt, das er am Morgen des vorigen Tages hineingekratzt hatte.


»Sachte, sachte!«, sagte er. »Ist das eine Art, Bilbo Beutlin,


  Freunde auf der Matte warten zu lassen und dann knallbumms die Tür aufzureißen? Darf ich vorstellen: Bifur, Bofur


  und Bombur und vor allem Thorin.«



Kurztext / Annotation



»In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit.«


Mit diesem berühmten Satz begann vor mehr als sechzig Jahren die Fantasy-Literatur.


Vor gut vierzig Jahren betraten deutsche Leser zum erstenmal jene andere Welt, Mittelerde, an deren Erschaffung Tolkien ein ganzes Leben lang gearbeitet hat.




Hauptbeschreibung



Es war ein schöner Morgen, als ein alter Mann bei Bilbo anklopfte. »Wir wollen hier keine Abenteuer, vielen Dank«, wimmelte er den ungebetenen Besucher ab. »Überhaupt, wie heißen Sie eigentlich?« - »Ich bin Gandalf«, antwortete dieser. Und damit dämmerte es Bilbo: Das Abenteuer hatte schon begonnen.




Vor sechzig Jahren hat Tolkien die Geschichte von Bilbo und dem Drachenschatz für seine Kinder niedergeschrieben. Und seit dieser Zeit ist Bilbos gefährliche Reise ein Klassiker der Kinderliteratur. Sehr zum Verdruß Tolkiens übrigens: Um den Eindruck eines Kinderbuches zu korrigieren, hat er später vielfach Überarbeitungen vorgenommen.




Diese Neuübersetzung von Tolkien-Kenner Wolfgang Krege basiert-im Unterschied zu der 1957 veröffentlichten Übersetzung - auf der autorisierten Fassung letzter Hand. Somit ist nun eine deutsche Fassung zugänglich, wie Tolkien selbst sie gutheißen würde.



Biografische Anmerkung zu den Verfassern



J.R.R. Tolkien wurde am 3. Januar 1892 geboren. Er gilt als einer der angesehensten Philologen weltweit, vor allem ist er jedoch als Schöpfer von Mittelerde und Autor des legendären
Der Herr der Ringe
bekannt. Seine Bücher wurden in mehr als 80 Sprachen übersetzt und haben sich weltweit millionenfach verkauft. Ihm wurde ein Orden des Britischen Empire (CBE) und die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford verliehen. Er starb 1973 im Alter von 81 Jahren.



Wolfgang Krege (1939-2005) wurde in Berlin geboren, wuchs dort auf und studierte später an der Freien Universität Philosophie. Er war Lexikonredakteur, Werbetexter und Verlagslektor. Ab 1970 war er auch als Übersetzer tätig (Anthony Burgess, Annie Proulx, Amélie Nothomb und viele andere). Große Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Übersetzungen der Texte von J.R.R. Tolkien (»Das Silmarillion «, »Der Hobbit«), besonders durch die Neuübersetzung des »Herrn der Ringe«.



J.R.R. Tolkien

J.R.R. Tolkien wurde am 3. Januar 1892 geboren. Er gilt als einer der angesehensten Philologen weltweit, vor allem ist er jedoch als Schöpfer von Mittelerde und Autor des legendären Der Herr der Ringe bekannt. Seine Bücher wurden in mehr als 80 Sprachen übersetzt und haben sich weltweit millionenfach verkauft. Ihm wurde ein Orden des Britischen Empire (CBE) und die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford verliehen. Er starb 1973 im Alter von 81 Jahren.

Wolfgang Krege

Wolfgang Krege (1939-2005) wurde in Berlin geboren, wuchs dort auf und studierte später an der Freien Universität Philosophie. Er war Lexikonredakteur, Werbetexter und Verlagslektor. Ab 1970 war er auch als Übersetzer tätig (Anthony Burgess, Annie Proulx, Amélie Nothomb und viele andere). Große Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Übersetzungen der Texte von J.R.R. Tolkien (»Das Silmarillion «, »Der Hobbit«), besonders durch die Neuübersetzung des »Herrn der Ringe«.


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