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Die Last der SchattenOverlay E-Book Reader

Die Last der Schatten

Wenn Alpinisten nicht die ganze Wahrheit sagen

von Mario Casella

E-Book (EPUB)
192 Seiten
Sprache Deutsch
2019 AS Verlag
ISBN 978-3-03913-007-8
 

Kurztext / Annotation

"Ich war nicht auf dem Gipfel des K2, wie ich es vor ein paar Tagen fälschlicherweise bekannt gegeben habe." Das Eingeständnis des österreichischen "Skyrunners" Christian Stangl erschütterte Ende des Sommers 2010 die internationale Bergsteigerszene.Betrug und Täuschung, Fake News und Post Truth: Wer meint, die Welt des Alpinismus sei diesbezüglich ein unbefleckter Ort, der irrt. Schon viele Male sind in der Öffentlichkeit Zweifel aufgekommen, ob Bergsteiger hinsichtlich einer sportlichen Leistung gelogen oder zumindest nicht die ganze Wahrheit gesagt haben. Das neue Buch des renommierten Tessiner Journalisten und Bergführers Mario Casella nähert sich diesem vielschichtigen Thema packend und mit psychologischem Feingefühl an. Christian Stangl, Walter Bonatti, Maurice Herzog, Tomo Cesen, Reinhold Messner ... Die Liste der Alpinisten, die zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Karriere der Lüge bezichtigt wurden oder wie im Falle Stangls eine Lüge eingestanden, ist illuster. Teilweise blieben die Anschuldigungen und Vorwürfe jahrzehntelang virulent, und in vielen Fällen konnte niemals zweifelsfrei nachgewiesen werden, ob die Alpinisten gelogen hatten oder nicht. Aber Casella geht es nicht um das Aufdecken der Wahrheit. Er fragt vielmehr, welche Motivationen dem Abweichen von der Wahrheit im einzelnen Fall zugrunde lagen, und beschreibt die Mechanismen und Prozesse im Umgang mit der (tatsächlichen oder unterstellten) Lüge in Öffentlichkeit und Medien. Auch die Bezüge zu anderen Schattenseiten des Hochleistungssports (Erfolgsdruck, Doping und Drogensucht, Depression und Burnout) werden transparent gemacht - spannend und hochaktuell.

Mario Casella, geboren 1959, Journalist, Filmemacher und Bergführer, war lange Zeit hauptberuflich für das Radio und TV der italienischen Schweiz (RSI) tätig. Nach einer Periode als Auslandkorrespondent kehrte er in die Schweiz zurück und widmet sich seither eigenen Buch- und Filmprojekten sowie Expeditionen.Im September 2018 erhält Casella in Pontresina den Albert Mountain Award für besondere Verdienste auf dem Gebiet des Alpinismus.


Beschreibung für Leser

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet


Textauszug

Oben oder unten und vielleicht auch nur dazwischen
Vorwort von Daniel Anker

Am 20. September 2004, drei Tage nach meinem 50. Geburtstag, stand ich am Einstieg der Heckmair-Route durch die Eigernordwand. Genau dort, wo Ueli Steck bei seinen Rekorddurchsteigungen jeweils die Stoppuhr gedrückt hat; von Steck und seiner angezweifelten Besteigung der Annapurna wird im zehnten Kapitel dieses Buches noch ausführlich die Rede sein. Ein paar Meter unterhalb des Einstiegs, der durch ein paar Gedenktafeln markiert ist, hatte ich in einer Geröllrinne einen Bergsteigerstiefel aus Leder gefunden. Wem er gehörte, weiß ich nicht; vielleicht einem der vielen Verunglückten. Nun steht der Schuh in meiner Bergbibliothek. Zugegeben, ein etwas makabres Souvenir von meiner Eigernordwand-Tour.

Eigernordwandtour? Ich? Ja, klar: Ich war an der Wand, ja sogar in der Wand. Denn der Einstieg befindet sich etwas oberhalb des eigentlichen Wandfußes; ein horizontales, oft von Schnee bedecktes Geröllband führt von rechts zum Beginn des ersten und berühmtesten Weges durch die Wand der Wände. Unten in der Wand sein und dann durch sie oben ankommen: Dafür braucht es, wenigstens sprachlich, nur einen kleinen Schritt. «Ich war in der Eigernordwand» kann ich also sagen. Es ist die Wahrheit. Wo genau, wie hoch und ob bis zum Gipfel: Dazu könnte ich ja schweigen.

Oder soll ich sagen, warum ich nicht eingestiegen bin? Wenn ich mich recht erinnere, bin ich auch noch einen Meter, vielleicht zwei, hochgeklettert, wie im Juli 1974 am Einstieg zur klassischen Nordwand-Route der Großen Zinne. Aber ich hatte nie im Sinne, diese alpinistischen Extremklassiker zu klettern, aus dem ganz einfachen Grund, weil mein physisches und psychisches Können solche Touren nie erlaubt hätte. Immerhin, die Dibonakante an der Zinne und den Mittellegigrat am Eiger habe ich geschafft, so steht's im Tourenbuch und in der Erinnerung. Natürlich könnte ich auch sagen: Ich war am Start der Heckmair, aber erstens waren die Verhältnisse schlecht (wäre möglich gewesen), zweitens war ich zu spät dran (was eigentlich richtig war) und drittens untergruben der zum Glück leere Schuh sowie der nebenan liegende rote Rucksack die Moral (stimmt nicht wirklich). Zuerst wollte ich den Rucksack auch noch als Souvenir mitnehmen, aber er war viel zu nass und zu dreckig. In Joe Simpsons Buch The Beckoning Silence ist er im Bildteil nach Seite 148 abgebildet.

Und es wird noch viel komplizierter mit der Eigernordwand. In meinem Fall könnte ich nämlich sagen: «Ich, Daniel Anker, habe die Eigernordwand mehrmals durchstiegen, ja gar einige Erstbegehungen wie die Eigersanction gemacht.» Echt, nicht gelogen. Genauso gut kann aber der Daniel Anker, der als Erster durch die Eigersanction geklettert ist, sagen: «Ich gab 1998 erstmals die Monografie Eiger - Die vertikale Arena heraus.» Stimmt - und doch nicht. Denn es gibt zwei Daniel Anker: Einen mit Jahrgang 1959, der die Nordwand mehrmals durchstiegen hat (und darüber auch schon geschrieben hat); und einen mit Jahrgang 1954, der es einmal zum üblichen Einstieg der Nordwand geschafft hat (und darüber in einem Wanderführer berichtet hat). Vereinfacht gesagt: Der eine Anker macht Erstbegehungen, der andere Erstveröffentlichungen. Wie den Wandervorschlag in die Eigernordwand.

Der erste, der es bis dorthin und jedenfalls nicht viel weiter hinaufgeschafft hatte, war ich nicht. Ein Beispiel nur: Von 1959 bis 1962 war die Nordwand Gegenstand eines Prozesses wegen übler Nachrede. Der Deutsche Hans Grünleitner hatte den Nordwand-Kenner Toni Hiebeler angeklagt, der zu Recht Zweifel geäußert hatte, ob Grünleitner zusammen mit dem Schweizer Robert Stieger die Wand am 30./31. August 1959 in 21½ Stunden Kletterzeit durchstiegen habe, wie die beiden mit Fotos zu belegen versuchten. Nur: Diese Fotos wurden alle in unmittelbarer Umgebung des Einstieges arrangi


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